UN-Ausschuss fordert mehr Rechte für Kinder inhaftierter Eltern

Auf seiner jährlichen Konferenz hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes mehr Rücksicht und Fürsorge für die Kinder von Inhaftierten gefordert. Die Politikempfehlungen entsprechen denjenigen der BAG-S in ihrem Papier ‚Family Mainstreaming‘ vom Mai 2012.

 

Alle Kinder haben gleiche Rechte, auch die Kinder von Inhaftierten. Dies betonten die Mitglieder des UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes bei ihrer jährlichen Tagung am 30.September 2011.Die Mitglieder des Ausschusses, 18 unabhängige Sachverständige, trugen die Anforderungen zusammen, wie die von den Vereinten Nationen verbrieften Kinderrechte speziell für Kinder von Inhaftierten gewahrt werden können. Sie stellten fest, dass die Umsetzung der UN-Kinderechtskonvention in vielen Ländern unzureichend ist, wenn es um Kinder von Inhaftierten geht. Diese sieht vor, dass bei allen Maßnahmen, von denen  Kinder betroffen sind, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.

In seinen Empfehlungen an die Politikerinnen und Politiker in aller Welt betonte der Ausschuss die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen, welche die Rechte von Kindern bei einer Inhaftierung eines oder beider Elternteile schützen. Im Detail nannte der Ausschuss Forderungen, wie sie unlängst auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) in ihrem Papier "Family Mainstreaming" aufgestellt worden waren:

  • Bei einer Verurteilung von Eltern oder Erziehungsberechtigten sollte immer das Kindeswohl Berücksichtigung finden. So sollten, wann immer möglich, Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe vermieden werden, um die Bindung und die Versorgung des Kindes nicht zu gefährden. Bei einer Verhaftung, vor allem in Anwesenheit der Kinder, sollte eine respektvolle Behandlung der Kinder, aber auch ihr Recht auf – kindgerechte – Information über den Verbleib des Elternteils sichergestellt werden. 
  • Aus dem Recht der Kinder auf beide Elternteile leitet der Ausschuss  das Recht auf Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern ab. Dafür fordert er, dass Besuche regelmäßig möglich sind – zum Beispiel durch geeignete Besuchszeiten und wohnortnahe Unterbringung. Bei weit entfernter Unterbringung sollte der Staat für die Reisekosten der Kinder aufkommen. Daneben sollten Telefonate oder Internetkommunikation den Kontakt zwischen Kindern und ihren Eltern unterstützen. Um die emotionale Bindung zum inhaftierten Elternteil zu erleichtern, sollten Besuche in einer kindgerechten Umgebung stattfinden, möglichst auch außerhalb der Haftanstalt.
  • Die Entscheidung, ob ein Kind bei seinen Eltern in Haft lebt oder nicht, sollte sich jeweils individuell nach dem Kindeswohl richten. Bei einer Unterbringung  bei dem inhaftierten Elternteil sind ausreichende Bildungsmöglichkeiten, gesundheitliche Versorgung und Kontaktmöglichkeiten zu Bezugspersonen außerhalb des Gefängnisses für die Kinder sicherzustellen.
  • Für Kinder, die durch die Inhaftierung ihrer Eltern unversorgt sind, sollten die UN-Richtlinien für „Alternative Formen der Betreuung von Kindern“ Anwendung finden. Auch der Wegfall von Sozialleistungen müsse individuell geprüft werden und dürfe nicht zu Lasten der Kinder gehen, heißt es in den Empfehlungen.
  • Die Staaten sollten alles vermeiden, was Kinder bei Verhaftung und Inhaftierung ihrer Eltern stigmatisieren oder diskriminieren könnten. Dazu zählt auch der Schutz der Privatsphäre, z.B. bei medialer Berichterstattung. 
  • Alle, die auf professioneller Ebene während eines Verfahrens oder einer Inhaftierung mit Kindern zu tun haben, sollten dies bezüglich geschult sein, vor allem Justizpersonal, Lehrkräfte und Sozialarbeiter.
  • Nichts zuletzt verlangt der Ausschuss, dass die Staaten Forschungsdaten zur Situation von Kindern mit inhaftierten Eltern sammeln, um die Bedingungen für diese Kinder zu verstehen und sie zu verbessern.


Demnächst soll ein Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention dafür sorgen, dass Kinder ein individuelles Beschwerderecht bei der UN haben. Dies gäbe Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Verletzungen ihrer Rechte beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes anzuzeigen. Der Ausschuss würde die Beschwerden prüfen und sich notfalls bei den jeweiligen Regierungen für die Kinder einsetzen. In Deutschland hat das Bundeskabinett am 1.8.2012 den Gesetzentwurf zur Ratifikation des neuen Zusatzprotokolls beschlossen. Bisher wurde es von 18 Staaten, darunter Deutschland, unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die Ratifikation von mindestens zehn Staaten ist Voraussetzung, damit es in Kraft treten kann.

Dokument:
United Nations: Committee on the Rights of the Child, 30 September 2011, Report and Recommendations of the Day of General Discussion on „Children of Incarcerated Parents“