Strafvollzug: digital?

Die Digitalisierung gehört seit Anfang der 2000er-Jahre zu unserer Welt und unserem Alltag dazu. Ab 2002 gab es erstmalig gleiche analoge wie digitale Speicherkapazitäten: Das digitale Zeitalter begann. Die Gefängnisse hat dieser umfassende gesellschaftliche Transformationsprozess allerdings auch im Jahre 2018 noch nicht erreicht.  

Immerhin gibt es jetzt einige Modellprojekte, mit denen sich der Vollzug an die gar nicht mehr so neue Wirklichkeit herantastet. Etwa im Land Berlin mit dem Forschungsprojekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ in der JVA Heidering, im Land Sachsen mit dem Projekt „E-Mails aus der Haft – ganz einfach“ in der JVA Waldheim, oder in Schleswig-Holstein mit dem Projekt „Skype“ der JVAen Neumünster und Lübeck.  

Es ist höchste Zeit, dass sich das Gefängnis mit der Digitalisierung unseres Alltags beschäftigt. Die Chancen der familiären Kontaktpflege, der Bildung in Haft und letztlich der gelingenden Wiedereingliederung hängen auch davon, inwieweit Inhaftierte an der digitalen Kommunikationswelt teilhaben können. 

Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der BAG-S erleben beinahe täglich, wie sehr der fehlende Zugang Gefangene behindert, sich um ihre Angelegenheiten erfolgreich zu kümmern. Gefangene, die ihre Entlassung vorbereiten möchten, sei es bezüglich der Beschaffung von Wohnraum, der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten im Falle von drohender Wohnungslosigkeit, der Suche nach Arbeit, oder einfach, um von der Freien Straffälligenhilfe in dieser schwierigen Zeit Unterstützung und Beratung zu erhalten, sind auf mühsame analoge Prozeduren angewiesen. Meist sind es lange, handschriftliche Briefe, die uns erreichen. Und sehr oft sind wir nicht diejenigen, die direkt weiterhelfen können. Dies ist bedauerlich, denn die Briefe „ins Blaue“ kosten den Gefangenen viel Mühe. 

Wären die Gefängnisse im Netz, könnten die Gefangenen deutschlandweit unsere Datenbank, die die Anlaufstellen der Freien Straffälligenhilfe verzeichnet, von ihrer JVA abrufen. Aktuell arbeiten wir an der Aktualisierung und Ergänzung der Datenbank. Nach Abschluss werden wir nicht nur die Namen und Adressen der jeweiligen Anlaufstellen nennen können, sondern auch deren Angebots- und Beratungsspektrum. Die Möglichkeit der Nutzung der Datenbank im Gefängnis würde den Gefangenen ein Stück Autonomie geben, nämlich die Freiheit, für die eigene Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Die Zeit im Gefängnis soll keine nutzlose Auszeit sein, sondern die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten. Digitale Recherchemöglichkeiten und eigene Kompetenzen im Umgang mit dem Internet stellen wichtige Voraussetzungen für eine gelungene Eingliederung in den Arbeitsmarkt dar. Daher ist davon abzuraten, Gefangene weiterhin den Zugang zu digitalen Kommunikationsmitteln zu untersagen. Vielleicht sollten wir uns im Justizvollzug ein Beispiel an Finnland nehmen. Dort ist die Digitalisierung im Vollzug bereits gesetzlich verankert.

Wenn Sie zu diesem Thema mehr erfahren möchten, können Sie hier die Dokumentation der Tagung „Digitaler Wandel im Justizvollzug?“, die vom Landesverband Paritätischen Berlin und vom Verein Freiabonnements für Gefangene am 9. November 2017 in Berlin organisiert wurde, ansehen.