Positionspapier von Caritas und KAGS zur Tagessatzbemessung bei Geldstrafen

Der Deutsche Caritasverband und die Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe haben ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht. In diesem geht es um die Problematik der Tagessatzbemessung bei Geldstrafen für Menschen, die Transferleistungen beziehen. Das Positionspapier gibt dazu konkrete Lösungsvorschläge.

Anbei folgt der Textauszug des Positionspapiers ohne Fußnoten.

Das komplette Originaldokument können Sie aber auch hier als PDF herunterladen.

Position zur Höhe von Tagessätzen bei Geldstrafen für Menschen im Bezug von Transferleistungen

A. Vorbemerkung

Die Geldstrafe nimmt im Verhältnis zur Freiheitsstrafe und anderen Sanktionen eine immer größere Bedeutung im Erwachsenenstrafrecht ein. Mehr als 80% aller strafrechtlichen Verurteilungen führen zur Verhängung pekuniärer Strafen. Vor allem Straßenverkehrs- (über 90 %), Betrugs- und Eigentumsdelikte werden mit Geldstrafe geahndet. Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit, wozu die Körperverletzung zählt, machen insgesamt weniger als 10 % der Geldstrafen aus.

Gleichzeitig ist zu beobachten, dass der Anteil der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßenden Geldstrafenschuldner und derjenigen, die statt Zahlung der Geldstrafe gemeinnützige Arbeit leisten, seit den 70er Jahren stetig gewachsen ist. Häufig sind diese Personen nicht in der Lage, die Geldstrafe zu zahlen, weil sie nur über ein Einkommen im Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsbereich verfügen.

Deshalb wird in der fachlichen und politischen Diskussion aktuell problematisiert, ob die gesetzli-chen Regelungen und die gegenwärtige Rechtsprechung das Sozialstaatsprinzip noch ausreichend berücksichtigen. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JMK) hat dies am 06.11.2014 erörtert. Insbesondere wird die Frage gestellt, wie hoch ein Tagessatz bei straffällig gewordenen Menschen sein darf, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfe beziehen. Die JMK hat das Bundesjustizministerium aufgefordert, zu prüfen, ob ein diesbezüglicher Regelungsbedarf besteht.

B. Aktuelle Rechtslage und Handhabung in der Praxis

I.    Aktuelle Rechtslage

Wenn ein Erwachsener wegen einer Straftat verurteilt wird, kann das Gericht eine Geldstrafe verhängen, sofern das Gesetz diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht. Als Alternative zur Frei-heitsstrafe stellt die Geldstrafe ein milderes Mittel dar, denn der Täter oder die Täterin wird zwar bestraft, aber vor dem Gefängnis und den damit verbundenen Nachteilen bewahrt.

Neben den Hauptstrafen Geldstrafe und Freiheitsstrafe kennt das Gesetz das Fahrverbot, das als Nebenstrafe zusätzlich zu den Hauptstrafen verhängt werden kann (§ 44 StGB) .

1.    Anzahl der Tagessätze

Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt (§ 40 Abs. 1 S. 1 StGB). Die Anzahl der Tagessätze, die zwischen fünf und dreihundertsechzig liegen kann, bestimmt der Richter unter Berücksichtigung des Unrechtsgehalts einer Tat und der Schuld des Täters. Ebenso berücksichtigt das Gericht bei der Strafzumessung, ob der Täter die Tat gestanden hat, ob er sie bereut und ob er Einsicht in das Unrecht der Tat zeigt. Bei Delikten, bei denen es Geschädigte gibt, kann ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich strafmildernd wirken.

Selten gibt das Gesetz einen Strafrahmen für die Anzahl der Tagessätze vor.

2.    Höhe der Tagessätze

Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich dagegen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Straftäters. Hier gilt in der Regel das Nettoeinkommensprinzip, demzufolge zur Berechnung des Tagessatzes das monatliche Nettoeinkommen durch dreißig zu teilen ist (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB). Bei Hilfeempfängern werden zum Nettoeinkommen Sachleistungen (inklusive Mittel für Unterkunft und Heizung) hinzugerechnet. Ein Tagessatz wird vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf mindestens einen Euro und höchstens 30.000 Euro festgesetzt (§ 40 Abs. 2 S. 3 StGB).

Diese Regelung und ihre Handhabung in der Praxis muss vor dem Hintergrund des Grundgesetzes, das das Gebot der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) formuliert, auf den Prüfstand gestellt werden. Daraus leitet sich nämlich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ab. Dies richtet sich gegen den Staat, der bedürftigen Menschen die erforderlichen Mittel zur Sicherung der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben  bereitstellen muss.

II.    Handhabung in der Praxis

In der Praxis bewegen sich die festgesetzten Tagessätze überwiegend in einer Höhe zwischen 10 und 51 EUR: Am häufigsten werden Geldstrafen mit Tagessätzen zwischen 10 und 25 EUR verhängt (39 %), bei gut einem Drittel liegt die Tagessatzhöhe zwischen 5 und 10 EUR und bei einem Viertel zwischen 25 und 51 EUR. Nur ein Zwanzigstel der verhängten Tagessätze liegt unter einer Höhe von 5 EUR.  Da davon auszugehen ist, dass etwa ein Drittel der zur Geldstrafe Verurteilten nur über ein Einkommen im Sozialhilfebereich verfügt, ist die geringe Anzahl von Tagessätzen unterhalb von 5 EUR problematisch.  Bereits bei einem Tagessatz von 5 EUR muss ein Alleinstehender, der (seit 01.01.2015) 399 EUR im Monat als Regelbedarf erhält, knapp 40 % seiner Geldmittel (13,30 EUR), die ihm täglich für die Finanzierung seines notwendigen Lebensunterhalts frei zur Verfügung stehen, aufwenden, um die Geldstrafe zu bezahlen.

Inzwischen beschäftigen sich die höherinstanzlichen Gerichte mit dieser Problematik. Um den Geldstrafenschuldner(inne)n die Zahlung zu ermöglichen, korrigieren sie die Bemessung der Tagessatzhöhe oder gewähren Zahlungserleichterungen, wie etwa Ratenzahlungen.

1.    Nichtanwendung des Nettoeinkommensprinzips

In der Rechtsprechung wird zunehmend die Frage gestellt, ob das Nettoeinkommensprinzip bei Menschen mit geringem Einkommen überhaupt eine geeignete Grundlage für die Bemessung der Tagessatzhöhe darstellen kann. So stellte der BGH (Beschluss vom 24.01.2013, Az. 3 StR 398/12) fest, dass ein Strafgericht bei „nahe am Existenzminimum Lebenden“ die Tagessatzhöhe nicht am Nettoeinkommen zu orientieren, sondern sie nach unten zu korrigieren hat, wenn die Gesamtbelastung zu einem Einwirkungsübermaß und zu desozialisierenden Folgen führen könnte. Die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes hat unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Straftäters stets nachvollziehbar zu sein.

Das OLG Naumburg (Urteil vom 15.07.2010, Az. 2 Ss 89/10) stellte fest, dass nahe am Existenzminimum Lebende unter der Geldstrafe stärker litten als Normalverdienende und setzte den Tagessatz bei einem Einkommen von 350 EUR auf – unter 1/30 liegende – 5 EUR fest.

Das LG Stuttgart  argumentierte, dass den Verurteilten durch die Geldstrafe nicht der unerlässliche Lebensunterhalt genommen werden dürfe. Dieser liege bei etwa 80 % des Regelbedarfs. Dies knüpft an die Sanktionsregelung des § 26 SGB XII an, wonach bei einer Aufrechnung, unwirtschaftlichem Verhalten oder einer absichtlichen Herbeiführung der Bedürftigkeit die Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche eingeschränkt werden können. Rechtsprechung und Literatur  halten eine Kürzung um 20 bis 25 % des Regelbedarfs für vertretbar. Als erlässlich werden die im früheren Warenkorb vorhandenen Bedarfspositionen „Teilnahme am kulturellen Leben“ und „Beziehungen zur Umwelt“ angesehen.

2.    Zahlungserleichterungen

Andere Gerichte verfolgen die Linie, die Härte der Strafe über die Einräumung von Zahlungser-leichterungen (§ 42 StGB) abzumildern. So hielt das OLG Köln (Beschluss vom 10. Juni 2011, Az. III-1 RVs 96/11) es für geboten, die Tagessatzhöhe bei Bezügen am Rande des Existenzminimums über die Anordnung einer Ratenzahlung zu reduzieren, um dem Betroffenen das „zum Lebensunterhalt Unerlässliche“ zu belassen.

Ebenfalls über eine erleichterte Ratenzahlung löste das OLG Braunschweig (Beschluss vom 19. Mai 2014, Az.: 1 Ss 18/14) einen Rechtsstreit über die Zahlung einer Geldstrafe durch einen Angeklagten, der im Regelbedarfsbezug steht. Das für die Sicherung des Lebensunterhalts Uner-lässliche sei auf 70 v. H. des Regelbedarfs zu schätzen, urteilte das Gericht. Diese Berechnung müsse Grundlage der Ratenzahlungsanordnung und damit der Festsetzung der Höhe des Tagessatzes sein. In dem konkreten Fall wurde es dem Verurteilten gestattet, die ihm auferlegte Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 40 EUR (d. h. 1,34 EUR/Tag) zu zahlen.

III.    Folgen für die Verurteilten

Die Praxis zeigt, dass das Nettoeinkommensprinzip, das regelhaft bei der Bemessung der Ta-gessatzhöhe angewandt wird, bei Empfängern von Arbeitslosengeld II und Hilfe zum Lebensun-terhalt nach SGB XII häufig zu einer Unterdeckung des Existenzminimums führt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Menschen nicht noch über zusätzliches Erwerbseinkommen verfügen. Gelingt es Betroffenen nicht, aus ihrem Schonvermögen oder durch Darlehen von Verwandten oder Bekannten die Geldstrafe zu begleichen, droht ihnen im Rahmen der Zwangsvollstreckung die sog. Ersatzfreiheitsstrafe: pro nicht bezahlten Tagessatz müssen sie für einen Tag in Haft. Die Kosten hierfür trägt die öffentliche Hand.

Zwar kann der Verurteilte den Freiheitsentzug durch Ableisten gemeinnütziger Arbeit abwenden. Für einige Personen ist dies eine sinnvolle Möglichkeit, sich von den Geldschulden zu befreien.  Aber  längst nicht in allen Bundesländern wird der betroffenen Person eine gemeinnützige Arbeit durch die Behörde oder eine beauftragte Vermittlungsagentur zugewiesen, sondern die Person ist selbst dafür verantwortlich, eine Arbeit zu finden. Gelingt ihr dies nicht, ist die Ersatzfreiheits-strafe meist unausweichlich.

Ein rechtlich mögliches Gnadengesuch auf Erlass der Geldstrafe ist in der Praxis nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgreich. Das Gnadenrecht hat zwar grundsätzlich die Aufgabe, Härten und Unbilligkeiten von strafrechtlichen Verurteilungen in besonders gelagerten Fällen auszugleichen. Die Gnadenstelle gibt Gnadengesuchen jedoch nach freiem Ermessen statt. Ein Anspruch auf Erlass der Geldstrafe besteht nicht.

C.    Bewertung

I.    Zweck der Geldstrafe

Die Strafe fügt dem Straftäter ein notwendiges Übel zu, um die Tatschuld zu sühnen und um den Rechtsfrieden wieder herzustellen. Bei Delikten gegen die Person wird die Opferperspektive insofern einbezogen, dass durch das Urteil auch festgestellt wird, dass ihm Unrecht geschehen ist, dass man dieses Unrecht anerkennt und darauf angemessen reagiert. Der Richterspruch beinhaltet daneben die (symbolische) Versicherung, dass sich eine Verletzung des Opfers nicht wiederholt.

Der zu einer Geldstrafe verurteilte Täter wird, im Gegensatz zur Inhaftnahme bei der Freiheitsstrafe, in seinen sozialen Bezügen belassen. Der Verurteilte soll vorübergehend seine finanziellen Mittel für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gesellschaft einschränken, kann jedoch in seinem Wohn- und Lebensalltag verbleiben. Daher hat die Geldstrafe von allen Strafen im Erwachsenenbereich die geringste desozialisierende Wirkung. Zudem ist hier die Gefahr am geringsten, dass die Bestraften stigmatisiert werden.

Diese positiven Begleitwirkungen müssen allen zu einer Geldstrafe Verurteilten gleichermaßen zugutekommen. Die Anpassung der Höhe des Tagessatzes an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters ist als Regulativ vorgesehen, um die individuelle Strafwirkung bei Tätern mit unterschiedlichem Einkommen, aber gleicher Schuld, zu egalisieren. In der Praxis greift dieses Regulativ jedoch nur unzureichend.

II.    Bewertung von Alternativen, die Geldstrafe zu tilgen

Bei der derzeitigen Praxis einer strikten Anwendung des Nettoeinkommensprinzips sind Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt regelhaft der Gefahr ausgesetzt, eine verhängte Geldstrafe nicht zahlen zu können. Auf Antrag kann die Geldstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit getilgt werden. Kann ansonsten die Geldstrafe nicht eingebracht werden, so tritt an ihre Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB). Mit beidem sind Nachteile einer höhe-ren gesellschaftlichen Stigmatisierung  verbunden. Gleichzeitig entstehen dadurch hohe Kosten für die öffentliche Hand, die nach dem vorgeschlagenen Lösungsmodell (s. u.) reduziert oder sogar ganz vermieden werden könnten.

Zur Vermeidung der gemeinnützigen Arbeit und einer Ingewahrsamnahme, verzichten einige Straftäter für kurze Zeit auf ein Großteil oder die Gesamtheit ihres Geldes zum Leben, oder sie führen – bei verringerten Raten oder Zahlungsfristen - über längere Zeit ein Leben unterhalb des physischen Existenzminimums. Das ist aus Sicht des Deutschen Caritasverbands nicht hinnehmbar.

Die gemeinnützige Arbeit kann für einige Straftäter eine Möglichkeit sein, die Ingewahrsamnahme zu vermeiden. Allerdings wird es abgelehnt, die Leistung von gemeinnütziger Arbeit als regelhaftes Tilgungsmodell für Sozialleistungsempfänger(innen) anzuerkennen; zwar ist sie im Verhältnis zur Ersatzfreiheitsstrafe wesentlich weniger stigmatisierend. Feste soziale Bezüge müssen jedoch auch hier unter Umständen verlassen werden. Es gibt auch gesetzessystematische Gründe, die gemeinnützige Arbeit nicht als Regeloption für Sozialleistungsempfänger zu verteidigen. Solange sie gesetzlich nicht als Hauptstrafe vorgesehen ist, die unterschiedslos alle Verurteilten treffen kann, kann das Gericht sie nicht verhängen. Das Gericht hat keine Möglichkeit, zu entscheiden, ob für genau diesen Täter diese „Strafe“ die richtige ist, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen.

In praxi setzt die gemeinnützige Arbeit voraus, dass der Verurteilte diese verrichten will und kann. Das bedeutet, dass er einen Antrag stellen und physisch-psychisch in der Lage sein muss, die Arbeit zu bewältigen. Das ist mitunter problematisch. Denn für den Teil der Ersatzfreiheits-strafengefangenen, die Suchtprobleme (knapp zwei Drittel) oder psychische Erkrankungen haben, wäre eine Arbeitsaufnahme mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Auch zu betreuende Kinder oder pflegebedürftige Angehörige können verhindern, dass gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann.

Hohe Tagessätze führen zudem dazu, dass Empfänger von Sozialleistungen, die in der Regel auf Ratenzahlung angewiesen sind, längere Zeit brauchen, um die Geldstrafe zurückzuzahlen. Dies ist problematisch, da generell mit zunehmender Anzahl der Tagessätze (über 90 liegend) die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe progressiv wächst (Kam-mergericht Berlin, Beschl. v. 02.11.2012 – (4) 121 Ss 146/12 (265/12)).

Der Weg über die Gnadenordnung ist ebenfalls keine Option, denn auf eine Begnadigung besteht, wie oben ausgeführt, kein Anspruch.

So bleibt für viele Verurteilte nur, die Geldschuld über die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu tilgen. Untersuchungen belegen, dass der Anteil der sozial randständigen Personen an der Gesamtheit der Ersatzfreiheitsstrafengefangenen besonders hoch ist . Dieser Zustand ist untragbar.

Es wird also nach derzeitiger Praxis letztlich eine verhältnismäßig härtere oder längere Sanktionierung erreicht, als von der Justiz ursprünglich angestrebt. Zudem droht eine über den Strafzweck hinausgehende Entsozialisierung des Verurteilten. Die oben beschriebenen Vorteile der Geldstrafe (Verbleib in den sozialen und wirtschaftlichen Bezügen, geringe Stigmatisierung) kommen dieser Personengruppe also gerade nicht zugute. Dadurch entsteht eine sozial- und rechtsstaatliche Schieflage.

D.     Lösungsvorschlag

I.    Bemessung der Tagessatzhöhe

Der Deutsche Caritasverband ist der Ansicht, dass die Höhe der Geldstrafe so bemessen sein muss, dass der/die Verurteilte in der Lage ist, sie zu bezahlen, ohne dass sein/ihr Existenzmini-mum dadurch zu stark beeinträchtigt ist. So wie Gefangene, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, für die Dauer des Gefängnisaufenthalts über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit hinaus auch nur limitierte Teilhabemöglichkeiten haben, ihnen aber grundsätzliche Bedarfe wie Klei-dung, Essen und Wohnen nicht beschnitten werden, dürfen auch die zu einer Geldstrafe Verur-teilten nicht zu einem Leben unterhalb dieses Levels gezwungen sein.

Bei Empfängern von Arbeitslosengeld II, Hilfe zum Lebensunterhalt und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz soll das Nettoeinkommensprinzip grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, sondern es ist hier stets auf die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse und Bedarfe des Einzelnen abzustellen.

Für Sozialleistungsempfänger ohne ergänzendes Einkommen und Vermögen bedeutet dies, dass lediglich der Teil der Leistungen des Regelbedarfs, der für die soziale Teilhabe vorgesehen ist, für die Geldstrafe herangezogen werden darf. Der Tagessatz darf also drei Euro nicht überschreiten. Dies errechnet sich aus dem Anteil von Teilhabeleistungen am Regelbedarf der für Alleinstehende (Stufe 1) im Jahr 2015 (Verbrauchskategorien Freizeit, Unterhaltung, Kultur – Beherbergung- und Gaststättendienstleistungen – Nachrichtenübermittlung= 2,91 Euro/Tag). Unangetastet bleiben müssen neben dem Rest des Regelbedarfs auch die Kosten der Unter-kunft und Heizung, da sonst ein Wohnungsverlust infolge von Zahlungsverzug droht. Dies muss bei der Bemessung der Tagessatzhöhe berücksichtigt werden.

Für Empfänger von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist, je nach Höhe des Leistungsbezuges, die gleiche Grenze von höchstens drei Euro zu ziehen.

Personen, die über nur geringe Bargeldmittel verfügen, wie etwa Asylbewerber im Sachleistungsbezug, Personen, die vom Betteln leben, aber keine Leistungen beantragen, Personen in Einrichtungen gemäß § 27b SGB XII, u. a., müssen gesondert berücksichtigt werden. Hier sollte regelmäßig ein Tagessatz von einem Euro verhängt werden.

II.     Ratenzahlung

Selbst wenn bei Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII beziehen, ein der Höhe nach angemessener Tagessatz festgesetzt wird, können sie auf Ra-tenzahlung angewiesen sein. Denn z. B. Rückzahlungsverpflichtungen an das Jobcenter für einmalige Bedarfe wie etwa die Reparatur der Waschmaschine oder auch Leistungsminderun-gen wegen Sanktionen führen oftmals dazu, dass sie längerfristig nicht den vollen Regelbe-darfssatz erhalten. Bei diesen Personengruppen ist die Geldstrafe daher in der Regel in Raten zu begleichen. Die Ratenhöhe sollte – in Anlehnung an die Ausführungen zur Tagessatzhöhe 3 Euro täglich, also 90 Euro monatlich, nicht übersteigen. Eine entsprechende Regelung ist in das Gesetz aufzunehmen.

Formulierungsvorschläge

Sofern eine solche Handhabung in der richterlichen Praxis nicht sichergestellt werden kann, schlägt der Deutsche Caritasverband folgende Präzisierung des Gesetzes vor:

1.    § 40 StGB ist wie folgt zu ändern:

(1)…(keine Änderung)

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tages-satz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Bei Empfängern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, oder von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ist das Nettoeinkommensprinzip nicht anzuwenden. Es gilt Absatz 2 Satz 1. Haben Personen nach Satz 1 kein ergänzendes Erwerbseinkommen oder Vermö-gen, wird der Tagessatz auf nicht höher als drei Euro festgesetzt. In besonders gelager-ten Fällen wird der Tagessatz auf einen Euro festgesetzt.

(4) …(keine Änderung)
(5)…(keine Änderung)

2.    § 42 StGB wie folgt zu ergänzen:

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Bei Personen nach Absatz 3 Satz 1 besteht die gesetzliche Vermutung, dass ihnen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen. Die Teilbeträge sollen monatlich 90 Euro nicht übersteigen. Das Gericht kann dabei anordnen, dass die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

Freiburg, 9.07.2015

Vorstandsbereich Sozial- und Fachpolitik                  
Prof. Dr. Georg Cremer
Generalsekretär

Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe
Lydia Halbhuber-Gassner
Vorsitzende


Kontakt:
Caroline von Kries, Leiterin der Arbeitsstelle Sozialrecht,
Deutscher Caritasverband, Tel. 0761 200 224; caroline.von.kries@caritas.de

Dr. Clarita Schwengers, Leiterin Referat Koordination Sozialpolitik,
Deutscher Caritasverband, Tel. 0761 200 676; clarita.schwengers@caritas.de

Cornelius Wichmann, Referent für Straffälligenhilfe,
Deutscher Caritasverband, Tel. 0761 200 751; cornelius.wichmann@caritas.de