Mein Papa ist im Knast - und was mache ich als Kind?

10 Jahre Vater Kind Wochenende für Inhaftierte aus dem offenen Vollzug: Bericht aus der Diakonie für Bielefeld 

Bielefeld/Schwerte. 

„Endlich mit Papa zusammen kuscheln und mal richtig Zeit nur mit ihm“, die Freude darüber dem Fünfjährigen anzusehen! Es ist Samstagabend beim Mitmachtheater: Die Kinder haben ihren Vätern bunte Gesichter geschminkt, den Mädchen werden Zöpfe geflochten und die Handpuppen Rudi und Pia sorgen mit bunter Farbe für Hingucker. Seit 10 Jahren wird die deutschlandweite einzige Maßnahme für inhaftierte Straftäter aus dem offenen Strafvollzug und ihren Kindern durchgeführt.

Die Bedeutung des Vaters für die frühkindliche Entwicklung wird schon lange diskutiert. Einig ist sich die Fachwelt, dass qualitative Zeit, eine enge Bindung und ein guter Kontakt zum Vater sich positiv auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern auswirken.

Für inhaftierte Väter und deren Kindern ist es unter den Gefängnisbedingungen schwierig, in Kontakt zu bleiben und die Vater-Kind-Beziehung aktiv zu gestalten. Inhaftierten Vätern fehlen viele Informationen über das Kind, die sich sonst im Zusammenleben ergeben und Möglichkeiten der Begegnung, um väterliches Engagement für Kinder erfahrbar zu machen.

Diese Gründe und eindrucksvolle Erlebnisberichte von inhaftieren Vätern waren 2008 der Anlass für die Diakonie für Bielefeld gGmbH / Fr. Mohme und das Institut für Kirche und Gesellschaft / Hr. Haas das Seminarprojekt und mittlerweile die Behandlungsmaßnahme „Spielräume“ für inhaftiere Väter und deren Kindern zu entwickeln. Väter haben hier im Rahmen von Vater-Kind-Wochenenden die Möglichkeit, gemeinsame Zeit mit Ihren Kindern zu verbringen.

Ein Programm mit jährlich wechselndem Motto trägt dazu bei, dass vielfältige Erfahrungen im Miteinander gemacht werden können. Neben gemeinsamen Aktivitäten gehören zum Wochenende auch getrennte Väter- und Kinderzeiten. Väter können in Väterrunden über ihr Verständnis vom Vatersein und ihre Begrenzungen in der Ausübung dieser Rolle im Kontext des Gefängnisses sprechen. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, mit anderen Vätern über die Folgen der Inhaftierung für die Kinder zu diskutieren und Anregungen für die Ausgestaltung ihrer Vaterrolle zu bekommen. Nicht zuletzt geht es um die konkrete Frage, wie sich Erziehungsverantwortung aus der Distanz unter den schwierigen Verhältnissen der Haft gestalten lässt. „Mir wird erst jetzt klar, was ich meinem Kind antue“, so ein Vater im Rahmen einer Väterrunde. Die Erfahrungen aus dieser Arbeit machen deutlich, dass die eigenen Kinder eine wichtige Motivation für ein straffreies Leben nach der Inhaftierung darstellen: „Mein Kind soll nicht den gleichen Weg gehen wie ich“.

Mit den Kindern werden Themen wie Gefühle, Wünsche und die Situation „Kind eines Straftäters“ behandelt.

Obwohl sich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ausschließlich gegen Verurteilte richtet, sind auch deren Kinder nachhaltig und schwerwiegend davon betroffen. Diese Mitbetroffenheit ist unbeabsichtigt und zieht dennoch die Lebensführung der Kinder der Inhaftierten erheblich in Mitleidenschaft. So kann z.B. die einfache Frage: „Ist dein Papa im Knast?“ zu einem riesigen Problem für Kinder werden. Jedoch nicht an diesem Wochenende. Denn da haben alle Kinder einen Vater im Gefängnis. Dies alleine hat einen positiven Effekt, da oftmals rund um die Themen Inhaftierung und Straftat in den Familien und im Freundeskreis geschwiegen wird. Die Erfahrungen aus den Seminaren zeigen, dass für die Kinder ein kontinuierliches Hilfsangebot notwendig ist, um mit dieser schwierigen Situation umgehen zu können. Aber auch die Väter brauchen Orientierungshilfen im Umgang mit ihren Kindern. So ist die gemeinsame sonstige verbrachte Zeit mit den Kindern stark reglementiert und es fehlt oft an Austauschmöglichkeiten mit anderen Vätern über die Ausgestaltung der Vaterrolle.

Für die Wiedereingliederung des inhaftierten Elternteils in die familiäre Gemeinschaft gehört die Befähigung zum Leben in der Gemeinschaft. Nur im Umgang mit den Kindern kann der Inhaftierte/Straffällige die Bedürfnisse und Gefühle der Kinder kennenlernen und verantwortungsvolles väterliches Verhalten einüben. Das Wochenendseminar bietet hierfür eine Fülle von Gelegenheiten und einen geschützten Rahmen.

Die Unterstützung der Vater-Kind-Beziehung unter den Bedingungen der Haft und die Förderung eines vätersensiblen Vollzugs sind wichtige Themen, die die Träger der Maßnahme seit nun mehr 10 Jahren vorantreiben. Seit 2012 hat sich der Trägerkreis um die Essener Beratungsstelle der Straffälligenhilfe„Start 84“ erweitert, die als Beratungsstelle für Straffällige, Inhaftierte, Haftentlassene und deren Angehörige ebenfalls an vielen Stellen mit dem Väterthema in Berührung war und ist.

„Papa, können wir nicht noch bleiben?“ formulierte ein Kind am Ende eines Seminars. Die Träger der Maßnahme sehen gerade in den Rückmeldungen der Kinder und der teilnehmenden Väter eine Bestätigung ihrer Arbeit. „Wir müssen auch künftig solche Begegnungsräume sichern und anbieten“, sind sich alle einig – „es bleibt nur zu hoffen, dass entsprechende finanzielle Ressourcen weiterhin ermöglicht werden.“

Falls Sie Kontakt mit der Fachberatungsstelle für von Haft Bedrohte, Inhaftierte und deren Familien können Sie Frau Mohme kontaktieren:

Melanie Mohme
Diakonie für Bielefeld gGmbH
Schildescher Straße 101-103
33611 Bielefeld
Tel.: 0521 988 92-727
melanie.mohme(at)diakonie-fuer-bielefeld.de