Kinder Inhaftierter haben Rechte

Die Inhaftierung von Mutter oder Vater lässt Kinder in einer besonders verletzlichen und schutzbedürftigen Situation zurück. Schon in den Strafverfahren gegen die Eltern werden in vielen Bereichen Kinderrechte verletzt. Dies zeigte eine Veranstaltung des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes am 30. September 2011 in Genf.

Mehr als 200 internationale Expertinnen und Experten diskutierten über die Situation von Kindern inhaftierter Eltern.[1] Obwohl im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, „gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden“ (Artikel 3) das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist, findet diese Vorgabe bei der Inhaftierung von Eltern in kaum einem Land ausreichend Beachtung.[2] Angesichts der verschiedenen sozialen und politischen Ausgangssituationen der 193 Unterzeichnerstaaten der Konvention mag dies nicht erstaunen, wie sieht es aber in Deutschland mit den Rechten von Kindern inhaftierter Eltern aus?

Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention 1992 ratifiziert und sich damit verpflichtet alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der Kinderrechte zu treffen (Artikel 4). Die Kinderrechte sind demnach in allen Phasen des Strafverfahrens zu beachten. Dies gilt selbstverständlich auch wenn die Eltern in Haft genommen werden.

Im Einzelnen bedeutet dies, das Kind vor allen Formen der Diskriminierung zu schützen (Artikel 2). Außerdem haben Kinder das Recht in allen sie berührenden Angelegenheiten, einbezogen und gehört zu werden, auch in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren (Artikel 12). Kinder müssen vor jeder Form von körperlicher oder geistiger Gewalt, Schadenzufügung Vernachlässigung oder schlechter Behandlung, Gewaltanwendung, und Verwahrlosung geschützt werden (Artikel 19). Kinder, die von einem oder beiden Eltern getrennt sind, müssen das Recht haben „regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.“ (Artikel 9, Absatz 3). Die aktuellen gesetzlichen Regelungen in Deutschland sehen Besuche in Haftanstalten aber nur für eine Stunde im Monat vor (§ 24 Absatz 1 Strafvollzugsgesetz)[3].

Nur wenige Gefängnisse bieten kinderfreundliche Besuchsräume an. Zudem erfolgt die Inhaftierung nicht immer in der Nähe der Familie. Kinder können ihre Eltern dann nicht ohne eine längere Anreise und die Unterstützung von Angehörigen besuchen.

Über die Beachtung der einzelnen Kinderrechte hinaus, ist der Vorrang des Kindeswohls gemäß der UN-Kinderechtskonvention in allen Phasen des Strafverfahrens und letztendlich auch bei einer Inhaftierung zu beachten. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen und Verfahren sind dementsprechend zu prüfen und ggf. anzupassen. Dies bedeutet auch, dass eine Haftstrafe eines Elternteils im Sinne des Kindeswohls auf Alternativen zu prüfen ist.

Wenn bei einer schweren Straftat auf die Inhaftierung nicht verzichtet werden kann, so muss das Kindeswohl gemäß der UN-Kinderrechtskonvention zumindest bei der Gestaltung der Haftbedingungen berücksichtigt werden. Der UN Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Empfehlungen zur Wahrung der Kinderrechte bei einer Inhaftierung eines oder beider Elternteile zusammengestellt. Diese geben Anregungen für die Umsetzung der Kinderrechte in der Straffälligenhilfe in Deutschland.[4]

Sabine Penka
Referentin für Kinder und Jugendhilfe Deutscher Caritasverband

[1] Committee on the Rights of the Child: Day of General Discussion "Children of incarcerated parents" 30.09.2011. Dokumentation unter: www2.ohchr.org/english/bodies/crc/discussion2011.htm
[2] Vgl. dazu COMMITTEE ON THE RIGHTS OF THE CHILD 30 SEPTEMBER 2011 REPORT AND RECOMMENDATIONS OF THE DAY OF GENERAL DISCUSSION ON “CHILDREN OF INCARCERATED PARENTS”. Genf 2011.
[3] Stand Juli 2012. Eine Erweiterung der Besuchszeiten auf minimal 2 Stunden im Monat wird derzeit diskutiert. S. Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz vom 23. August 2011.
4] Vgl. COMMITTEE ON THE RIGHTS OF THE CHILD 30 SEPTEMBER 2011 REPORT AND RECOMMENDATIONS OF THE DAY OF GENERAL DISCUSSION ON “CHILDREN OF INCARCERATED PARENTS”. Genf 2011.