Irgendwas mit Recht

Im Jura-Podcast "IMR122: Strafvollzugsrecht, Kriminologie & späte Promotionen" erzählt die Rechtsanwältin Ronja Maria Ahlers von ihrem Promotionsvorhaben. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Ersatzfreiheitsstrafe beim Schwarzfahren.

In ihrer Doktorarbeit setzt sich Ahlers u.a. mit dem Rechtsschutz und der Verfahrensgerechtigkeit für alle Beteiligten auseinander und fragt, inwiefern sich daraus Machtverhältnisse begründen. Sie sagt, dass Gefangene trotz der Geschlossenheit des Strafvollzugssystems Rechte haben (auf Besuch, Pakete etc.). Es gäbe genügend Möglichkeiten, gegen Sanktionen im Strafvollzug vorzugehen und Rechtsmittel einzulegen. Der erste Weg sei, sich mit einem Anliegen an die Anstaltsleitung (oder den Anstaltsbeirat) zu wenden. Wenn Inhaftierte mit einer Entscheidung unzufrieden sind, sollten sie sich erneut an die Anstaltsleitung wenden. Würde auch dies nicht zum Erfolg führen, können man vor Gericht, also die Strafvollstreckungskammer des zuständigen Landgerichtes, gehen.

Bei jeder Inhaftierung müsse man sich fragen, inwiefern die Grundrechte (z.B. die Garantie auf effektiven Rechtsschutz) gewahrt bleiben und welche Rechte durch den Freiheitsentzug, in dem das Leben total fremdbestimmt wird, eingeschränkt werden. In der Gesellschaft sei die Meinung weit verbreitet, dass es jemandem, der etwas Schlimmes getan hat und dafür inhaftiert wurde, im Gefängnis nicht gut gehen dürfe. Hierzu sagt Ahlers ganz klar, dass Inhaftierte durch die Bedingungen des Strafvollzugs nicht doppelt bestraft werden dürfen. Je besser der Strafvollzug ausgestattet sei, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, nicht wieder rückfällig zu werden. Um als Mensch in die Gesellschaft zurückzukehren, müsse der Strafvollzug so ausgestattet sein, dass er so nah wie möglich an die Bedingungen nach der Entlassung angepasst ist.

"Stell dir vor, er ist nachher dein Nachbar."

Ahlers ist ehrenamtlich bei Tatort Zukunft e.V. in Berlin tätig. In Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin gründete sie die erste deutsche Law-Klinik. Dort sollen Jura-Student:innen ausgebildet werden, um Strafgefangenen im Gefängnis kostenlos Rechtsberatung geben zu können. Dies solle auch zu einem Perspektivwechsel beitragen, sagt sie.

Einen Perspektivwechsel gäbe es auch beim Schwarzfahren und der damit verbundenen Ersatzfreiheitsstrafe (EFS). Das Thema sei zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die ESF sei nicht mehr aktuell für die Gesellschaft. "Wie soll jemand, der kein Ticket bezahlen kann, sich die Geldstrafe leisten?" Die Ersatzfreiheitsstrafe sei ohne Sinn. Man müsse sich fragen, welches Klientel von dieser Maßnahme betroffen ist. Jemand, der sich kein Ticket leisten kann und dafür ins Gefängnis geht, verliert dadurch evtl. seinen Job. Das führt dazu, dass er wieder kein Geld hat, um sich ein Ticket zu kaufen und die Katze würde sich im Kreis drehen. Ahlers regt an, darüber nachzudenken, ob es ausreicht, das Schwarzfahren zu einer Ordnungswidrigkeit herunterzustufen. Besser sei, die gesellschaftlichen Strukturen zu schaffen, die verhindern, dass dies eine Ordnungswidrigkeit oder einen Straftatbestand erfüllt.

Den ganzen Podcast können Sie hier hören.

Quelle: Legal Tribune Online (2022): Podcast "IMR122: Strafvollzugsrecht, Kriminologie & späte Promotionen" mit Ronja Maria Ahlers, unter: https://www.irgendwasmitrecht.de/ (Abruf am 12.04.2022)