Informationsdienst Straffälligenhilfe: Aktuelle Ausgabe

Die Winterausgabe unserer Zeitschrift „Informationsdienst Straffälligenhilfe“ erscheint im Dezember 2018 und widmet sich

dem Themengebiet „Religiös begründeter Extremismus“.

Lesen Sie hier das Editorial und werfen Sie einen Blick in das Inhaltsverzeichnis:

Editorial

Grüß Gott, Salam aleikum, Shalom, Namasté!

Als der islamistische Terrorismus am 19. Dezember 2016 auf einem Berliner Weihnachtsmarkt Deutschland erreichte, kamen zwölf Menschen ums Leben, 56 weitere wurden verletzt. Dass es irgendwann zu einem religiös-ideologisch begründeten Anschlag in Deutschland kommen würde, war von Sicherheitsexperten befürchtet worden. Nach einer Phase, in der sich islamistische Anschläge fast ausschließlich in krisen- und kriegsgeplagten Ländern wie Afghanistan, dem Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia, Indonesien, den Philippinen oder Syrien ereignet hatten, war es in den letzten Jahren bereits zu islamistischen Terrorakten in Spanien, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Belgien gekommen. Die Schockwellen des Berliner Anschlages rückten hierzulande das Bedrohungspotenzial des islamischen Extremismus in den Vordergrund staatlicher Sicherheits- und Präventionsbemühungen. Und das völlig zu Recht. Der kanadische Politologe Robert C. Bartlett schreibt: »Der islamische Terrorismus hat uns daran erinnert, dass es mitten unter uns tief religiöse Menschen gibt, die, ebenweil sie tief religiös sind, die Prinzipien unserer Lebensweise im Kern ablehnen.«  Allerdings sollte man sich davor hüten, gewaltsame religiöse Konflikte per se mit dem Islam zu assoziieren.

Die Religionsgeschichte, aber auch das aktuelle Weltgeschehen sind voller Beispiele für mörderische Kämpfe um die religiöse Deutungshoheit und die daraus abgeleiteten Ansprüche. Nicht selten waren und sind dabei Muslime das Ziel religiös begründeter Gewalt. Man braucht dazu gar nicht die Gräueltaten christlicher Kreuzfahrer in längst vergangener Zeit zu bemühen. Im mehrheitlich buddhistisch orientierten Myanmar entlud sich beispielsweise erst 2017 die Gewalt gegenüber der Minderheit der muslimischen Rohingya. Hunderte Menschen wurden ermordet, Dörfer niedergebrannt und Frauen vergewaltigt. Hunderttausende Rohingya wurden gezwungen, das Land zu verlassen.  In einigen afrikanischen Gesellschaften überfallen nach wie vor Christen muslimische Dörfer, legen die Häuser der Bewohner und deren Moscheen in Schutt und Asche. In Teilen Indiens geraten hingegen immer wieder Buddhisten und radikalnationalistische Hindus äußerst gewaltsam aneinander. Diese leidvollen Konflikte um das »Sakrale« verdeutlichen die soziale und politische Sprengkraft, die zum Wesen religiös heterogener Gesellschaften gehören kann. Religiöser Glaube kann den Menschen sowohl humanisieren als auch barbarisieren. Das gesellschaftsdienliche Potenzial von Religion liegt zweifellos darin, dass sie es den gläubigen Gesellschaftsmitgliedern ermöglicht, sich dem Tod zu stellen, ohne in Resignation, Angst oder Depression zu verfallen. Religiöser Glaube sensibilisiert für die Endlichkeit des Lebens, fördert Demut und dadurch unter Umständen Empathie und Hilfsbereitschaft gegenüber den Schwachen und Bedürftigen.  »Religiöser Glaube kann aber auch ganz anders, genau gegenläufig wirken. Er kann im Haß auf Andersdenkende und Andersgläubige Gestalt gewinnen, Menschenverachtung und Intoleranz stimulieren, äußerst starre, dogmatisch harte Weltbilder erzeugen und in fromme Arroganz münden. Die Tendenz zum Unbedingten, die emotional stark bindende Orientierung an Gott (…) ist ambivalent und bleibend gefährlich.« (Graf, Friedrich W. 2013, S.14) 


Eine religiös ausdifferenzierte Einwanderungsgesellschaft wie die unsere muss, um das friedliche Zusammenleben zwischen Anhängern unterschiedlicher Bekenntnisse, aber auch areligiösen Menschen immer wieder aufs Neue zu ermöglichen, auf verbindlichen Spielregeln beharren. Grundpfeiler dieses Regelwerkes sind Demokratie und Menschenrechte. Beide Pfeiler dürfen nicht mit einem in ideologischer Absicht instrumentalisierten Begriff von Religionsfreiheit unterspült werden. Gleichwohl muss es Spielraum für religiöse Praxis geben, sofern sie nicht fundamental gegen unser liberales Lebensmodell verstößt. Auch weil sich Religionen wohl eher dann öffnen und modernisieren, wenn ihre Traditionen nicht unterdrückt werden. Gleichzeitig müssen die staatlichen Institutionen dafür Sorge tragen, dass das Recht, religiöse Ausdrucksformen zu kritisieren, nicht ausgehebelt wird.

Die Beiträge im Schwerpunkt dieser Ausgabe befassen sich nicht nur mit der Frage, wie auf Menschen, die im Begriff sind, sich religiös zu radikalisieren, mit den Mitteln der Sozialen Arbeit eingewirkt werden kann. Es geht auch darum, aufzuzeigen, welche Möglichkeiten der Deradikalisierung und Vernetzung bestehen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und freue mich über Rückmeldungen an die Redaktion.
Ihr

Klaus Roggenthin

 

Zum Inhalt

Kernbeiträge der Ausgabe sind u.a. das Interview mit Thomas Mücke (Geschäftsführer von Violence Prevention Network e.V.) über die Herausforderung mit religiös radikalisierten Menschen zu arbeiten, der Beitrag von Prof. Dr. Jens Borchert zu „Ansätzen der Prävention und Intervention bei islamistischen und rechtsextremistischen Straftätern“ sowie der Artikel zu „Umgang mit IS-Rückkehrerinnen“ von Prof. Dr. Christine Schirrmacher. Auch ein Glossar und eine bundesweite Übersicht der Anlaufstellen haben Eingang in die Ausgabe gefunden. Ergänzt wird das Heft mit weiteren Beiträgen rund aus dem Spektrum der Straffälligenhilfe, wie beispielsweise ein Resümee zu den "Aktionstagen Gefängnis 2018". Hier können Sie das komplette Inhaltsverzeichnis anschauen. Inhaltsverzeichnis

 

Unsere Themen in 2019

Auch 2019 haben wir wieder wichtige Themen in unserer Fachzeitschrift zur Diskussion. Senden Sie uns Ihre Ideen, Anregungen gerne zu oder melden Sie sich telefonisch bei uns, wenn Sie einen eigenen Artikel veröffentlichen möchten. Ihre Ansprechpartnerin ist hier Frau Eva-Verena Kerwien
Telefon: 0228 – 9663594.

Themen „Informationsdienst Straffälligenhilfe 2019

Ausgabe 1/2019: „Psychische Erkrankungen und Gefängnis“,
Redaktionsschluss, Ende Februar 2019
Ausgabe 2/2019: „Kriminalisierung der Armut“
Redaktionsschluss, Ende Mai 2019
Ausgabe 3/2019: „Alternativen zum Gefängnis“
Redaktionsschluss, Ende Sept. 2019

Informationen zu unserer Fachzeitschrift „Informationsdienst Straffälligenhilfe“ sowie Angaben zum Bezug (Abo/ Einzelheft) finden Sie hier