Gesetz zum Maßregelvollzug beschlossen

Das Bundeskabinett hat auf Vorlage des Justizministeriums am 4. November 2015 den Gesetzentwurf "zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften" beschlossen.

Die steigenden Belegungszahlen und der Fall des Gustl Mollath brachten den psychiatrischen Maßregelvollzug stark in die Kritik. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sah sich angesichts dieser Entwicklungen veranlasst das Recht der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.
In einem Referentenentwurf schlug das BMJV die Novellierung des § 63 StGB vor. Die BAG-S hatte sich am 22.Juli 2015 zu diesem Referentenentwurf zu Wort gemeldet. Darin forderten wir ein umfassendes Konzept, das der Justiz zum Beispiel vorschlägt, Alternativen zur stationären Unterbringung vorzuhalten. Der nun beschlossene Gesetzentwurf greift diese Vorschläge leider nicht auf. 

Die Novellierung umfasst u.a. folgende Änderungen:

1. Konkretisierung der Anordnungsvoraussetzungen nach § 63 StGB, insbesondere:

  •  „Anhebung der Voraussetzungen, soweit Taten drohen, durch die nur wirtschaftlicher Schaden entsteht.“
  •  „Konkretisierung der Voraussetzungen, soweit Taten drohen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich geschädigt oder gefährdet werden“
  •  „Normierung der Darlegungsanforderungen, wenn aus nicht erheblichen Anlasstaten auf die Gefahr erheblicher Taten geschlossen wird.“

2. Konkretisierung der Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung über sechs und zehn Jahre hinaus nach § 67d Abs. 6 StGB, insbesondere:

  •  „Fortdauer über sechs Jahre grundsätzlich nur noch, wenn Taten drohen, durch die die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden; insbesondere die Gefahr rein wirtschaftlicher Schäden reicht für eine Fortdauer in der Regel nicht mehr.
  • „Fortdauer über zehn Jahre nur noch – wie bei der Sicherungsverwahrung – bei der Gefahr von Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.“

3. Ausbau der prozessualen Sicherungen zur Vermeidung unverhältnismäßig langer Unterbringungen in § 463 Abs. 4 und 6 StPO:

  • „Konkretisierung der Anforderungen an die jährlichen gutachterlichen Stellungnahmen der Klinik.“
  • „Erhöhung der Frequenz für externe Gutachten von fünf auf drei Jahre und für Unterbringungen ab sechs Jahren auf zwei Jahre.“
  • „Pflicht zum Wechsel der externen Gutachter: Gutachter soll nicht das letzte vorangegangene externe Gutachten im Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahren erstellt haben.“
  • „Klarstellung, dass mit der Begutachtung nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden sollen, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen.“
  • „Zwingende mündliche Anhörung des Untergebrachten vor jeder Entscheidung, in der es um die Fortdauer bzw. Beendigung der Unterbringung geht, also auch bei der Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung.“

Außerdem sieht der Entwurf zwei weitere Regelungen bei der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vor:

  •  „In Umsetzung eines Urteils des BVerfG soll in Härtefallen die Zeit des Vollzugs der Maßregel auch auf eine "verfahrensfremde", also in einem anderen Verfahren angeordnete Freiheitsstrafe möglich sein.“
  • „Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB soll klargestellt werden, dass sie in Fällen, in denen sich die Unterbringungszeit wegen der gleichzeitigen Verhängung einer Freiheitsstrafe verlängert, auch dann erfolgen kann, wenn die Behandlung des Untergebrachten voraussichtlich mehr als zwei Jahre dauern wird.“

                                                                                       Quelle: Pressemitteilung des BMJV v. 04.11.2015

Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften

Heinz-Peter Kammeier, Lehrbeauftragter an der Universität Witten/Herdecke, kritisiert die Änderungen der Novellierung in der Zeitschrift RECHT & PSYCHIATRIE. Das Strafvollzugsarchiv hat den Abschnitt auf ihrer Webseite eingestellt. 

"Richtete sich die Erwartung an den Diskussionsentwurf in weiten Kreisen darauf, es käme ein Unterbringungsbekämpfungsgesetz heraus, so tritt hier Enttäuschung ein. Von der im Titel des Diskussionsentwurfs angekündigten 'Novellierung' ist so gut wie nichts zu sehen. Statt mit wirklich Neuem wird hier mit Gebrauchtwagen gehandelt: Zahlreiche neue Regelungen werden explizit als gewollte Angleichungen an das Recht der Sicherungsverwahrung vorgestellt.

Wenn der Gesetzgeber wirklich auf diesem Weg weitergehen will, dann sollte er doch besser gleich ein klares rechtspolitisches Programm daraus machen. Ferneres Ziel könnte dann sinnvollerweise die Zusammenführung von psychiatrischer Maßregel mit der Maßregel der Sicherungsverwahrung und dem wohl nur noch normativ vorhandenen Therapieunterbringungsgesetz zu einer Sozialtherapeutischen Einrichtung sein, wie sie schon einmal in den Reformintentionen des 1960er- und 1970er-Jahre im damals ins StGB geschriebenen § 65 vorgesehen war.“