Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Überbrückungsgeld

Das Bundessozialgericht hat am 28.10.2014 eine neue Entscheidung zur Anrechnung des Überbrückungsgeldes getroffen, die durch den Sozialrechtsexperten Bernd Eckhardt wie folgt dargestellt und kommentiert wird. Herr Eckhardt wird in der nächsten Ausgabe des Informationsdienstes vertiefend auf die Thematik eingehen.

Interessant an der Entscheidung ist:
Es ist die erste höchstrichterliche Entscheidung, die einen Fall behandelt, der auf Grundlage der aktuell gültigen Gesetzeslage bewertet werden muss, da er nach den zahlreichen gesetzlichen Änderungen, die zum 1. April 2011 in Kraft traten, eingetreten ist. Alle bisherigen Fälle wurden höchstrichterlich nach altem Recht entschieden.

 Neu ist seit dem 1.4.2011, dass ein Antrag auf SGB II-Leistungen auf den Ersten des Monats zurückwirkt. Neu ist auch, dass höhere einmalige Einkommen nicht mehr nach Ermessen auf einen bestimmten Zeitraum verteilt angerechnet werden, sondern genau auf 6 Monate verteilt gleichmäßig angerechnet werden. Eine dritte Neuerung besteht darin, dass Leistungen, die einem öffentlich-rechtlich geregelten Zweck dienen, nur angerechnet werden, wenn das SGB II dem gleichen Zweck dient (§ 11 a Abs. 3 Satz 1: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.").

Gilt das auch, wenn am Anfang des Monats aufgrund der Inhaftierung ein Leistungsausschluss vorgelegen hat? Wird grundsätzlich jedes Einkommen im Monat der Antragstellung angerechnet?

Das Bundessozialgericht hat nun höchstrichterlich entschieden:

1. Der Kläger hat mit seinem Klagebegehren nicht Recht bekommen. Auch das im Monat der Antragsstellung vor Anspruchsbeginn zugeflossene Einkommen wird angerechnet. Aus dem kurzen Terminbericht der Bundesagentur geht aber nicht hervor, wie genau die tageweise Anrechnung durchzuführen ist. Sicher ist aber: wer die Anrechnung von Überbrückungsgeld verhindern will, kann nicht im Monat des Zuflusses einen Antrag stellen.

2. Das Jobcenter hat aber auch mit seiner Rechtsauffassung verloren: Laut der gestrigen Entscheidung vom 28.10.2014 ist das Überbrückungsgeld Tag genau nur für 4 Wochen ab dem Tag, der der Haftentlassung folgt, anzurechnen. Diese Entscheidung hat nicht nur bei mir Verwunderung ausgelöst. Für die alte Rechtslage hat das Bundesozialgericht zwar die gleiche Regelung getroffen, aber ausdrücklich betont, dass diese nur für die alte Rechtslage zutreffen würde (BSG, Urteil vom 22. 8. 2013 - B 14 AS 78/12 R). Nun hat der gleiche Senat geurteilt, dass für alle Fälle gilt: das Überbrückungsgeld darf nur für 4 Wochen angerechnet werden.

Nach wie vor kann es sich lohnen, den Antrag später (das heißt nun: im nächsten Kalendermonat) zu stellen. Im nächsten Kalendermonat ist das Überbrückungsgeld immer Vermögen und darf nicht als Einkommen angerechnet werde. Zumindest für den Autor, der hier viel pessimistischer war, ist das Urteil positiv. Hier muss ich auch meine und die Ansicht vieler Sozialgerichte korrigieren, dass eine Anrechnung auf 6 Monate rechtmäßig sei. Zumindest in diesem Punkt wird die Anrechnung nun begrenzt.

Der offizielle Terminbericht des Bundesozialgerichts zum Urteil lautet:

"Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 28. Oktober 2014.

1) Die Revision des Klägers war zum Teil erfolgreich.
Entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung, dass ein Alg II-Antrag grundsätzlich auf den Monatsersten des betreffenden Monats zurückwirkt und die in diesem Monat anfallenden Einnahmen auch vor Antragstellung nicht als Vermögen, sondern als Einkommen anzusehen sind.
Andererseits ist zu beachten, dass die als Einkommen zu berücksichtigende einmalige Einnahme Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll und damit einer öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unterliegt (§ 11a Abs 3 Satz 1 SGB II). Es war daher nur für die Zeit vom 13.6. bis zum 10.7.2012 als Einkommen zu berücksichtigen, so dass sich die tenorierten Nachzahlungen ergeben.
SG Halle- S 34 AS 4524/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 36/13 R "

Bernd Eckhardt
www.sozialpaedagogische-beratung.de