Die Anrechnung des Überbrückungsgeldes

Oft kommt es vor, dass Urteile zur Anrechnung des Überbrückungsgeldes aufgrund der geänderten Rechtslage falsch interpretiert und kommuniziert werden. Nachfolgend finden Sie daher eine klärende Zusammenfassung des Sozialrechtsexperten Bernd Eckhardt zum Bundessozialgerichtsurteil vom 22.8.2013 und der damit verbundenen neuen SGB II Anrechnungsregelung (seit 1.4.2011)


Auch künftig möchten wir Sie über das Thema "Überbrückungsgeld und SGB II" auf dem neusten Stand halten und die Beratungsprobleme erörtern.

Daher wird Bernd Eckhardt in den nächsten Ausgaben des Informationsdienstes spezifische Fälle aufgreifen und praxisnahe Lösungsmöglichkeiten vorstellen.

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Anrechnung des Überbrückungsgeldes im Bundessozialgerichtsurteil vom 22.08.2013

Eine Klarstellung zum Urteil B 14 AS 78/12 R vom 22.8.2013 des Bundessozialgerichts zur Anrechnung des Überbrückungsgeldes bei Haftentlassung erscheint mir dringend nötig, da das Urteil leider oft falsch interpretiert und verbreitet wird.

1.    Die Rechtsgrundlage des Urteils ist seit 1.4.2011 außer Kraft


Das Urteil befasst sich damit, wie das Überbrückungsgeld im Jahr 2007 nach damaligem Recht angerechnet hätte werden müssen. Damals gab es keine gesetzliche Regelung zum Verteilzeitraum von einmaligem Einkommen. § 2 Abs 3 der damals geltenden Arbeitslosengeld II-Verordnung regelte, dass einmalige Einnahmen auf eine angemessene Zeit verteilt angerechnet werden sollen. Kriterien für die Bestimmung des Verteilzeitraums gab es nicht. Die Jobcenter mussten nun nach pflichtmäßigem Ermessen bestimmen, was ein angemessener Zeitraum ist. Die gesetzlichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes sehen vor, dass mit dem Überbrückungsgeld der Lebensunterhalt (einschließlich Unterhaltsberechtigter) der ersten vier Wochen nach der Haftentlassung gesichert wird. Angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben und der Unbestimmtheit der „niedriger“ stehenden Verordnung, hat das BSG entschieden, dass unter den Bedingungen des alten Rechts vier Wochen als angemessener Verteilzeitraum gelten.

Seit dem 1.4.2011 ist das aber anders. Das SGB II hat eine eigenständige vollkommen klare Anrechnungsregelung im § 11 Abs. 3 erhalten. Hier heißt es seitdem:

„Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen.“

2.    Neue SGB II Anrechnungsregelung (seit 1.4.2011) gilt uneingeschränkt auch für das Überbrückungsgeld

In zahlreichen Urteilen hat die Sozialgerichtsbarkeit entschieden, dass nur nach dieser Regelung im SGB II verfahren werden darf, wenn Einnahmen nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften einem anderen Zweck als der Bestreitung des Lebensunterhalts dienen. Die Zwecke der SGB II-Leistung und des Überbrückungsgeldes unterscheiden sich aber nicht, wie alle Gerichte bisher betont haben. Aus der zeitlichen Vorgabe im Strafvollzugsgesetz (der „ersten vier Wochen“) ergibt sich keine abweichende Zweckbestimmung.

Das Urteil hat daher bezüglich der Anrechnung von Überbrückungsgeld in der Regel nur noch historischen Wert. Eine fehlerhafte Anrechnung kann nicht mehr überprüft werden, da die Fälle, die von der alten Rechtslage betroffen waren (vor dem 1.4.2011), schon zu lange zurückliegen. (Für die Fachleute unter Ihnen weise ich auf eine seltene Ausnahme hin, die bei Vorliegen des folgenden Falls besteht:Das Überbrückungsgeld ist zuerst nicht oder nur teilweise angerechnet worden und das Jobcenter hat aufgrund der verspäteten Anrechnung Leistungen zurückgefordert. Bei rechtswidrigen Rückforderungen kann die Rückerstattung des rechtswidrig zurückgeforderten Betrags ohne die Ausschlussfrist des § 44 SGB X per Überprüfungsantrag verlangt werden. Das hat das BSG am 13.2.2014 nochmals im Urteil B 4 AS 19/13 R bestätigt. In der Regel werden Beratungsstellen allerdings selten Zeit für die Aufarbeitung weit zurückliegender Sachverhalte haben).

PS: Dazu, dass das Eigengeld und das Hausgeld zum Zeitpunkt der Haftentlassung Vermögen darstellt, hätte das Bundessozialgericht sich eindeutiger äußern können. Nach verschiedenen Erwägungen stellt das BSG hierzu vollkommen unklar fest: „Dies spricht gegen einen Zufluss des Eigengeldes am 11.4.2007 (Tag der Haftentlassung, Anm. B.E.), sondern möglicherweise früher“ (Abs. 40) um, dann aber festzustellen, dass diese Frage für den vorliegenden Fall keine Rolle spielt.

Bernd Eckhardt
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Beitrag als PDF: Anrechnung des Überbrückungsgeldes im Bundessozialgerichtsurteil vom 22.08.2013