Broschüre "Kinder von Inhaftierten" erschienen

Das Forschungsprojekt „COPING – Kinder von Strafgefangenen: Maßnahmen zur Stärkung der psychischen Gesundheit und Minderung der Risiken“ untersuchte zwischen 2010 und 2012 in Schweden, Deutschland, Rumänien und England die Auswirkungen der Inhaftierung eines Elternteils auf die betroffenen Kinder sowie die Versorgungssituation in den vier Ländern. In Deutschland steuerten die Technische Universität Dresden und der Verein Treffpunkt e.V. in Nürnberg die Studie. Die Ergebnisse der Untersuchung sowie die daraus resultierenden Empfehlungen für Deutschland sind nun als Broschüre erschienen und kann bei uns kostenlos heruntergeladen werden.

Textauszug:
"Der Kontakt zwischen den Kindern und dem inhaftierten Elternteil gilt als sehr wichtig, um die Eltern - Kind- Beziehung aufrecht zu erhalten. Nach Meinung der  befragten Familien  könne ein gestörtes Verhältnis zwischen Elternteil und Kind dazu  führen, dass die Kinder sich zurückziehen und den Respekt gegenüber dem inhaftierten Elternteil verlieren. Die emotionale und geistige Stabilität der Kinder gilt als gefährdet, da der Familienzusammenhalt gestört sei. Das inhaftierte Elternteil spiele keine konstante Rolle mehr im Alltag des Kindes. Ein regelmäßiger, stabiler und guter  Kontakt zum inhaftierten Elternteil sei zur Entspannung der Situation unerlässlich,  solange er nicht dem Wohl des Kindes widerspreche.  Auch wenn den meisten Kindern die Umstände des Besuches nicht gefielen, freuten  sie sich doch sehr über den Kontakt zum Elternteil. Die Kinder beschrieben ambivalente Gefühle: Einerseits seien sie vor den Besuchen sehr aufgeregt und freuten sich  darauf, ihr Elternteil wieder zu sehen und Zeit mit ihm zu verbringen, andererseits  seien sie nach dem Besuch oft traurig und verletzt. Hier sei es von Bedeutung, den  Kindern nach dem Besuch die Möglichkeit zur Reflexion zu geben und auch ihren zeitweiligen Rückzug zu akzeptieren."

"Meistens waren wir aufgeregt und auch glücklich, weil wir ihn gesehen haben. Aber anfangs, als wir gegangen sind, haben alle immer geweint. Aber so zum Schluss, haben wir gedacht, wenn wir jetzt heulen, dann geht es ja dem Papa ja nur noch schlechter.“ (Mädchen, 12 Jahre alt)

"Neben dem Trennungsschmerz beschrieben viele Kinder auch die Atmosphäre vor und während der Besuchszeiten als negativ. Besonders häufig war damit die Gestaltung der Besuchs- und Warteräume gemeint. Diese wurden als triste und graue Räume beschrieben, die eine kalte und unpersönliche Atmosphäre verbreiteten.  Auch die oftmals langen Wartezeiten und die Nichtgestattung der Mitnahme eigener  Getränke trugen zur Unzufriedenheit bei. Mittlerweile seien viele Gefängnisse mit  Kinderspielzeug ausgestattet, doch nicht immer werde dieses gepflegt oder kaputtes Spielzeug zeitnah ersetzt.  Eines der größten Probleme scheint aber das Verbot von Körperkontakt zwischen den Kindern und den inhaftierten Elternteilen zu sein. Besonders jüngere Kinder verstünden den Grund hier für nicht und wollten das nicht akzeptieren."

"Wir haben einmal richtig Ärger bekommen, als unser Sohn, ein Kleinkind, unter dem Tisch zu seinem Vater gekrabbelt ist. Wir wurden rausgeworfen und mein Sohn wurde dann noch durchsucht.“ (Eine Mutter)

"Bezüglich der Häufigkeit und der Dauer der Besuche waren sich fast alle Kinder einig: Es gäbe zu wenige Besuchszeiten und sie seien viel zu kurz. In der Welt eines Kindes  passiere innerhalb eines Monats so viel, das sie gern mit dem inhaftierten Elternteil teilen würden. Die oftmals nur eine Stunde andauernde Besuchszeit reiche für das  kindliche Empfinden nicht aus, um das Erlebte mit dem Elternteil zu verarbeiten. Zudem erfolge der Kontakt nicht spontan und sei in dieser Hinsicht auch nicht vom Kind selbst kontrollierbar. Es müsse auch bedacht werden, dass die Kinder selten allein die Zeit des Elternteils beanspruchen könnten. Auch die PartnerInnen benötigten Zeit zum Austausch und zur Pflege der Beziehung. Das Fachpersonal stimmte dem zu, wusste jedoch auch, dass ein wirklich regelmäßiger Kontakt, wie ihn die Kinder bräuchten, unter den gegebenen Bedingungen nicht umsetzbar sei. (...)"


Coping-Ergebnisbroschüre: Kinder von Inhaftierten


Foto: Frida Momenteto/ momentetos@gmail.com