Amtsblatt der Europäischen Union zu alternativen Maßnahmen zum Freiheitsentzug

Die europäische Union hat in ihrem Amtsblatt vom 16.12.2019 empfohlen, den Freiheitsentzug verstärkt durch alternative Sanktionen und Maßnahmen zu ersetzen. Der Freiheitsentzug solle nur als letztes Mittel (ultima ratio) eingesetzt werden. Alternative Maßnahmen zum Freiheitsentzug sollen die Rehabilitierung und Resozialisierung von Straftätern fördern und damit einer Rückfälligkeit entgegenwirken. Dies sei nicht nur im Interesse der Straftäter, sondern auch im Interesse der Gesellschaft.

Alternative Maßnahmen sind Bewährungsstrafen, gemeinnützige Arbeit, finanzielle Sanktionen und elektronische Überwachung. In diesem Zusammenhang sei auch an Mediation zu denken, die bei geeigneten Straftaten angewandt werden kann. Dabei handelt es sich um ein Vermittlungsgespräch zwischen Täter und Opfer, das durch ausgebildete Mediatoren geführt wird. Ziel ist die Wiedergutmachung des durch den Täter verursachten Schadens.

Zudem sollte ebenfalls geprüft werden, ob Untersuchungshaft durch alternative Maßnahmen ersetzt werden könne. Die Anwendung von alternativen Maßnahmen und Sanktionen solle also im gesamten strafrechtlichen Verlauf des Strafrechts erwägt werden. Es liege jedoch in der Hand der zuständigen Behörden, geeignete Maßnahmen und Sanktionen für jeden Einzelfall individuell festzulegen.

Hintergrund der Empfehlung - verstärkt Alternativen zum Freiheitsentzug anzuwenden - ist die Erwartung dadurch der Überbelegung von Gefängnissen, defizitäre Haftbedingungen, Radikalisierung in der Haft und Hindernissen bei der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen entgegenzuwirken.

Der Rat der europäischen Union kommt zu folgenden Schlussfolgerungen, die auf nationaler Ebene (I) und auf EU-Ebene (II) umzusetzen seien sowie eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und relevanten Organisationen (III) vorsehe.

(I)                 Auf nationaler Ebene zu ergreifende Maßnahmen

Es wird erstens empfohlen, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten verstärkt auf nicht freiheitsentziehende Sanktionen und Maßnahmen zurückgreifen sollen, sofern dies möglich sei. Zweitens sei zu prüfen, ob eine vorzeitige oder bedingte Entlassung in Betracht gezogen werden könne, um die Wiedereingliederung zu verbessern als auch die Rückfallquote zu minimieren. Drittens sei zu überlegen, inwiefern eine opferorientierte Justiz anwendbar sei und welche positiven Auswirkungen zu erwarten seien. Weiterhin wird empfohlen, das Personal rund um das Strafrecht besser zu schulen und zu informieren. D.h., dass Rechtspraktikern Informationen zu alternativen Maßnahmen und Sanktionen erhalten (Gesetzgebung). Ihnen sollen zudem die Vorteile von Alternativen zum Freiheitsentzug näher gebracht werden. Dafür sollen Fortbildungsmaßnahmen angeboten werden, in denen diese informiert und geschult werden. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sollen ferner auch für das Strafvollzugspersonal, Bewährungshelfer, Richter, Staatsanwälte und Verteidiger angeboten werden. Weitere Maßnahmen seien die Berücksichtigung von besonders schutzbedürftige Personen (Kinder, Menschen mit Behinderung, Schwangere und bereits entbundene Frauen) bei der Anwendung von Alternativen zum Freiheitsentzug als auch die Verbesserung der Datenerhebungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Ausbau der Bewährungshilfe solle angestrebt werden sowie ein reger Informationsaustausch innerhalb der Mitgliedsstaaten und der Kommission über bewährte Alternativen zum Freiheitsentzug. Zuletzt wird angeraten, dass die Mitgliedsstaaten kontinuierlich die Haftbedingungen verbessern sollen (Überbelegung von Haftanstalten, Resozialisierung).

 

(II)               Auf EU-Ebene zu ergreifende Maßnahmen

Es wird empfohlen, dass die Kommission ihre Agenda dahingehend überprüfen solle, inwiefern sie Alternativen zum Freiheitsentzug fördern und dafür sensibilisieren könne. Des Weiteren soll die Kommission vergleichende Studien durchführen, sofern diese der Verbreitung von bewährten Maßnahmen und Sanktionen innerhalb der Mitgliedsstaaten fördern würde. Zudem sei sie dazu angeraten, die Rahmenbeschlüsse über Bewährungsmaßnahmen und alternative Sanktionen sowie über die Europäische Überwachung weiterhin zu verbessern. Sie wird ferner dazu ersucht, Fortbildungsmaßnahmen durch das Europäische Netz für Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN) ausarbeiten zu lassen sowie regelmäßige Expertentagungen zu organisieren. Weiterhin wird der Kommission angeraten, den Mitgliedsstaaten Finanzmittel für den Ausbau bereitzustellen, sofern dies möglich sei. Die Kommission solle die Unterstützung bestimmter Organisationen (EuroPris, CEP und EFRJ) fortsetzen und prüfen, ob eine bessere Zusammenarbeit innerhalb dieser Organisationen möglich sei.

Das Europäische Justizielle Netz für Strafsachen (EJN) werde aufgefordert, weiterhin die Rahmenbeschlüsse über Bewährungsmaßnahmen und alternative Sanktionen sowie über die Europäische Überwachung zu erörtern und möglichen Hindernissen, die bei der praktischen Umsetzung auftreten können, zu ermitteln und wenn möglich diesen  entgegenzuwirken. Eine regelmäßige Aktualisierung des Europäischen Justiziellen Atlas solle das EJN weiterführen. Zuletzt werde dem EJN nahe gelegt, auf seiner Webseite Informationen zu Alternativen zum Freiheitsentzug bereitzustellen.

 

(III)             Zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Europarat und anderen relevanten Organisationen zu ergreifende Maßnahmen

Die EU soll eine enge Zusammenarbeit mit dem Europarat und anderen relevanten Organisationen anstreben, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ferner werde der Kommission und den Mitgliedsstaaten angeraten, die Zusammenarbeit mit dem Europarat und anderen relevanten Organisationen zu vertiefen, um für Alternativen zum Freiheitsentzug zu sensibilisieren. Zuletzt werden die Kommission und die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, menschenrechtsverletzende Praktiken zu verhüten, indem sie die normativen Dokumente des Europarates, einschlägige Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verbreiten.

 

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