Abschlusskonferenz des Projekts „Netzwerk Kinder von Inhaftierten"

Die Interessen von Kindern Inhaftierter gelangen oftmals in den Hintergrund. Für die Beachtung und Durchsetzung der Rechte dieser Kinder setzt sich das Projekts „Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI)“ ein. Am 12.02.2020 fand die Abschlusskonferenz des Projekts in Berlin statt. Den Bericht dazu können Sie hier lesen:

 

Mehr Familie im Vollzug wagen![1]

So betitelte die BAG-S bereits 2012 den Bericht ihres BAG-S-Fachgesprächs. Mit der Forderung „Wir brauchen eine Lobby für Kinder Inhaftierter!“ mahnten die Beteiligten die Verantwortung der Bundesregierung und der Strafvollzugsbehörden der Länder an, für die konsequente Durchsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und die Berücksichtigung der Belange und Rechte von Kindern Inhaftierter zu sorgen.[2]

8 Jahre später:

Abschlusskonferenz des Projekts „Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI)“ am 12.02.2020  

40 Teilnehmer*innen aus Justiz, Jugendhilfe und Politik trafen sich zu dieser Abschlusskonferenz in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin. Unterstützt wurde das Projekt vom Paritätischen Gesamtverband und finanziert von der Stiftung Deutsche Jugendmarke. (Mehr Informationen unter: www.juki-online.de)

In ihrem Grußwort im Namen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend betonte Bettina Bundszus-Cecere, das Thema sei angekommen. Die Kinderrechte im Grundgesetz seien ein wichtiges Bekenntnis für alle Kinder – insbesondere verletzliche und in besonderer Weise betroffene Kinder brauchen die Stärkung. Die Abteilung Kinderrechte nimmt die Interessen der Kinder von Inhaftierten wahr und sieht einen besonderen Unterstützungsbedarf.

In Fachbeiträgen von Claudia Kittel (Monitoringstelle UN-KRK im Deutschen Institut für Menschenrechte), Justina Dzienko (Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern) und Jörg Jesse (Mitautor der Empfehlung des Europarats zum Thema) wurden zunächst verschiedene Etappen der Bearbeitung des Themas vorgestellt. Die Themen der Vorträge spiegeln im Wesentlichen die Meilensteine der Entwicklung wider, deren Ergebnisse und Erfolge sich gegenseitig beeinflusst und das Thema weitergetragen haben:

·       Die UN-Kinderrechtskonvention (1989) – insbes. Art. 3 und 12[3]

·       Die COPING-Studie zur Situation von Kindern Inhaftierter[4]

·       Die Europaratsempfehlung CM/Rec (2018)5 des Ministerkomitees zu Kindern inhaftierter Eltern vom 4. April 2018, die insgesamt 56 Einzelempfehlungen zur Stärkung der Rechte der Kinder inhaftierter Eltern umfasst.[5]

·       Der Abschlussbericht „Kinder von Inhaftierten“ der AG des Strafvollzugsausschusses, der von der Justizministerkonferenz auf ihrer Herbstsitzung 2019 zur Kenntnis genommen wurde. Dieser Bericht bezieht sich unmittelbar auf die Empfehlung des Europarats.

Die Konferenz würdigte das Projekt „Netzwerk KvI“ und die Errungenschaften auf dem Weg zu einem familienorientierten Vollzug. Das Projekt agierte unter der Prämisse, dass familienorientierte Vollzugsgestaltung und adäquate Unterstützung eine Querschnittsaufgabe von vielen Professionen ist. Freie Träger, Justiz und Jugendhilfe sind zu gleichen Teilen gefragt, ein tragfähiges Unterstützungssystem zu schaffen und zu pflegen. Durch den Aufbau eines bundesweiten Netzwerks, gezielte Öffentlichkeitsarbeit (Newsletter, Fachtage), Austauschmöglichkeiten (Blog, kollegiale Beratung) und einen Überblick über deutschlandweite Angebote (www.juki-online.de/angebotslandschaft) schaffte das Projekt ein Fundament für Politik und Behörden zur Umsetzung der UN-KRK.

Mit dem „Netzwerk KvI“ ist eine wichtige Vernetzungsstruktur mit vielfältigen Informationen und bisher 89 Kooperationspartnern geschaffen worden. In der Angebotsdatenbank sind derzeit 182 Angebote für Kinder von Inhaftierten gelistet.

Gestärkt wurde das Projekt von einem multidisziplinären Beirat, bestehend aus Vertreter*innen von Landesjustizministerien, Landesjugendämtern, Wohlfahrtspflege, Gefängnisseelsorge und des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Dieser stellte in der Konferenz heraus, welche Erfolge das Projekt geleistet hat und welche Schritte noch zu gehen sind.[6] Besonderer Bedarf besteht laut Beirat an folgenden Punkten:

·       Flächendeckender Aufbau neuer und Ausbau bestehender Angebote

·       Sensibilisierung und Schulung von Fachkräften und der Gesellschaft

·       Kindgerechte Besuchsausgestaltung

·       Weitere Vernetzung und Information

·       Stabile Finanzierung

Gegen Ende der Konferenz wurde hervorgehoben, dass sich auch die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) und die Landesjugendämter (BAG LJÄ) mit Empfehlungen und Beschlüssen einbringen müssen.

Norbert Struck, Vorstandsmitglied von Stiftung Jugendmarke, bescheinigte dem Projekt eine sehr überzeugende Pionierarbeit für die bereichsübergreifende Kooperation von Justiz und Jugendhilfe. „Es war ein wichtiger Schritt nach vorne im Hinblick auf das, was sich in den letzten Jahren europaweit, aber auch in Deutschland, zur Frage der Rechte von Kindern Inhaftierter entwickelt hat.“ Und dennoch bleiben, wie Jörg Jesse es formulierte, immer noch weite Wege „vom Konjunktiv zur Tat“.

Eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsamer Gestaltungswille, der das Problem ganzheitlich anpackt, sind genauso unabdingbar wie die Aufweichung von Ressortdenken und Zuständigkeitsabgrenzungen. Deshalb wird Treffpunkt e. V. das „Netzwerk KvI“ weiter am Leben halten. Denn darin waren sich am Ende der Konferenz alle einig: Das Projekt muss weitergehen und bundesweit etabliert werden.

 

 

Autorinnen:

Hilde Kugler, Geschäftsführerin Treffpunkt e. V., Projektleitung „Netzwerk KvI“

Sylvia Vogt, Projektmitarbeiterin

 


[1] BAG-S Infodienst 3/2012

[2] Becker, H. (2012): BAG-S-Fachgespräch 2012, in: Informationsdienst Straffälligenhilfe, 20. Jg. (3), S. 9

[3] S. a. Judith Feige (2019): Kontakt von Eltern zu ihren inhaftierten Eltern – Einblicke in den deutschen Justizvollzug, hrsg. vom DIM (2019): www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/ANALYSE/Analyse_Kinder_Inhaftierter_barrierefrei.pdf (Abruf am: 26.03.2020)

[4]www.treffpunkt-nbg.de/projekte/coping/ergebnisse.html (Abruf am: 26.03.2020)

[5]rm.coe.int/empfehlungen-europarat-kinder-inhaftierter-eltern-traduction-en-allema/16808edc9b (Abruf am: 26.03.2020)

[6] Die ausführlichen Statements sind nachlesbar unter tinyurl.com/t86s2z3 (Abruf am: 26.03.2020)