Ermittlungen in der JVA Gablingen dauern an

Gegen die Justizvollzugsanstalt Gablingen (Bayern) werden schwere Vorwürfe erhoben. Bereits im Oktober 2023 hatte sich die damalige Anstaltsärztin bei der Aufsichtsbehörde über die Behandlung von Häftlingen beschwert. Diese wiederholt sie in einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung: Gefangene müssten nackt auf dem Betonboden der besonders gesicherten Hafträume schlafen, ohne Kontakt zur Außenwelt, im Dunkeln, ohne warmes Essen - und ohne zu wissen, wann die Tortur endet. Sie spricht hier von „Folter“.

Das Interview mit der ehenmaligen Anstaltsärztin können Sie hier in der Süddeutschen Zeitung nachlesen (Paywall).

Die Staatsanwaltschaft prüft diese und weitere Vorwürfe. So soll die Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen ohne die gesetzlichen Voraussetzungen erfolgt sein. Außerdem geht es um schwere Übergriffe auf Gefangene. Auch soll die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter bei ihrem Besuch im August 2024 getäuscht worden sein.

Am 31.10. äußerte sich der bayerische Justizminister Georg Eisenreich zu den Vorwürfen. Er könne noch keine abschließende Bewertung abgeben, da sowohl die staatsanwaltschaftlichen als auch die internen Ermittlungen seines Hauses noch nicht abgeschlossen seien. Er beschrieb den bisherigen Verlauf der Anzeigen und die Reaktionen seiner Behörde. Er zeigte sich schockiert über die Vorwürfe: „Dass ich als Justizminister jemals klarstellen muss, dass Straftaten im Justizdienst nicht akzeptabel sind, hätte ich selbst nicht gedacht.“ Die Pressekonferenz können Sie hier im Bayerischen Rundfunk anschauen.

Die Staatsanwaltschaft sieht sich inzwischen ebenfalls mit Kritik konfrontiert, dass die Ermittlungen zu rasch eingestellt worden seien. So äußern sich im Bayerischen Rundfunk Strafrechtler Henning Müller (Uni Regensburg) und Michael Kubiciel (Uni Augsburg). Nach dem Bericht werden ebenfalls JVA-Angestellte verdächtigt, vor der Razzia der Staatsanwaltschaft Akten geschreddert zu haben.

Bekannt wurde, dass auch U-Häftlinge von der Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen betroffen waren. Zudem sei in der JVA Gablingen die Zahl der Unterbringung von Gefangenen in diesen Hafträumen deutlich angestiegen. 2022 habe es in Gablingen 59 Unterbringungen in den "Keller-Zellen" gegeben, 2023 seien es dann 126 gewesen, so Justizminister Eisenreich im BR24.

Der Minister hat mittlerweile eine unabhängige, interdisziplinär besetzte Kommission für grundrechtsrelevante Fragen bei der Unterbringung in bgHs eingesetzt. Die Kommission hat den Auftrag, insbesondere Vorschläge für einheitliche Leitlinien für die Unterbringung in den bgHs, sowie zu Standards bei der Ausstattung von bgHs und für die Verschärfung der Berichtspflichten zu entwickeln. Auch die Frage, ob ein Richtervorbehalt eingeführt werden soll, soll die Kommission prüfen (Pressemitteilung).

Die JVA Gablingen hat mittlerweile auch dem BR24 Einblicke in die Hafträume gegeben. So durfte ein Fernsehteam diese Räume von Innen betreten. Den Beitrag vom 24.11. können Sie in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks anschauen.

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußert sich auch Peter Brieger, der ärztliche Direktor am Isar-Amper-Klinikum in Oberbayern: Nach seiner Ansicht sei seit Jahren ein "systematisches Problem bei der Versorgung psychisch kranker Häftlinge" bekannt. Diese hätten aber kein Lobby. Die Versorgung müsse dringend besser werden. Ein Vorschlag: Eine engere Zusammenarbeit der JVAen mit den Bezirkskliniken, wie beispielsweise zwischen der JVA Stadelheim und der Münchner Klinik von Peter Brieger.

Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ist die massivste Einschränkung von Freiheitsrechten innerhalb einer JVA. Sie ist schon lange und immer wieder von unterschiedlichen Kommissionen bei Überprüfungen in ihrer Anwendung kritisiert worden. Insbesondere wenn Menschen mit psychischen Störungen dort untergebracht werden (Vgl. den Übersichtsbericht „Psychiatrie im Strafvollzug. Berichte und Empfehlungen der Expertenkommissionen“).

Öffentliche Statistiken über die Anzahl und Dauer von Unterbringungen fehlen bisher. Aktuell hat die DGPPN eine Umfrage durchgeführt, in der auch diese Daten erhoben wurden. Sie zeigt ebenfalls, dass hier häufig Personen untergebracht werden, die an einer psychischen Störung leiden. Die Ergebnisse wurden in Berlin vorgestellt (vgl. hierzu den Newsbeitrag zur Umfrage).

Vgl. hierzu auch den Kommentar von Prof. Johannes Feest zu einem Urteil des Europäische Gerichtshof für Mensche von 2011. Der EGMR hatte festgestellt, dass es gegen das Folter-Verbot verstoße, wenn ein Häftling über mehrere Tage ohne Kleidung in eine Sicherheitszelle gesperrt wird. Dem Betroffenen wurde ein SChadensersatz zugesprochen. Diesen Kommentar können Sie hier auf lto.de nachlesen.