Wundbotulismus bei Drogengebrauchern

Das Robert-Koch-Institut in Berlin meldet den dritten Fall von "Wundbotulismus" bei Drogengebrauchern in Deutschland. In folgendem Schreiben bittet das Institut daher um erhöhte Aufmerksamkeit in Drogenhilfeeinrichtungen, Substitutionspraxen und andere Einrichtungen, die mit Drogengebraucher/innen in Kontakt sind.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Gestern wurde am Robert Koch Institut ein dritter Fall von Botulismus bei einem Drogengebraucher in Deutschland innerhalb von 6 Wochen bestätigt. Der 34-jährige drogenabhängige Patient wurde am Montag den 1.08. in einem Mannheimer Krankenhaus aufgenommen. Er wies einen Abszess in der Leiste auf, klagte über Doppelbilder und Schluckstörungen. Im Verlauf der folgenden zwei Tage verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend, es entwickelte sich eine ausgeprägte Ptosis und Atemstörungen. Am 3.08. musste er reanimiert und intubiert werden und wird derzeit intensivmedizinisch betreut. Proben wurden ans Konsiliarlabor für Clostridium botulinum (RKI) geschickt. Im Serum konnte im diagnostischen Tierversuch BoNT/B nachgewiesen werden.

Das Robert Koch Institut war bereits am 01.07.2016 und 22.07. über zwei Fälle von Wundbotulismus bei Drogengebrauchern in Bochum informiert worden. Der Serotyp des Erregers ist bei dem Mannheimer Fall derselbe wie der Serotyp der in Bochum nachgewiesen wurde. Ein Zusammenhang, der wahrscheinlich darauf beruht, dass alle drei Erkrankten Heroin aus einer kontaminierten Charge erworben und konsumiert haben, ist zu vermuten.

In der Vergangenheit kam es mehrfach zu Häufungen von Fällen von Wundbotulimus bei Menschen, die sich Drogen injizieren, vermutlich durch mit Botulismus-Sporen kontaminiertes Heroin.
Der letzte bestätigte Fall von Wundbotulismus bei einem Drogengebraucher in Deutschland vor der aktuellen Krankheitshäufung wurde Anfang 2015 gemeldet. Weitere Fälle wurden im laufenden Jahr aus dem Vereinigten Königreich berichtet. Dort wurden zwischen Mitte März und Anfang Juli aus unterschiedlichen Regionen des Landes insgesamt vier Fälle berichtet.

Das Krankheitsbild des Wundbotulismus entsteht durch Neurotoxine der Bakterien Clostridium botulinum sowie einzelner Stämme von C. baratii und C. butyricum, eines im Erdreich und Gewässersedimenten verbreiteten Sporenbildners. Auch in früheren Ausbrüchen von Wundbotulismus bei i.v. Drogenkonsumenten (z.B. Norwegen, USA, Vereinigtes Königreich) wurde subkutan injiziertes verunreinigtes Heroin als Infektionsquelle verdächtigt. Wie die Sporen (eine Dauerform der Bakterien) in das Heroin gelangten, lässt sich meist nicht ermitteln. Vorstellbar ist eine Verunreinigung beim Transport, durch das Zusetzen von Strecksubstanzen oder bei der Zubereitung des Heroins über andere Quellen (Lösemittel, verunreinigtes Spritzbesteck).

Werden Drogen, die Sporen von Botulinum Neurotoxin-produzierenden Clostridien enthalten, unter die Haut oder ins Muskelgewebe gespritzt, können sich die Bakterien vermehren, wenn im Gewebe anaerobe Bedingungen vorherrschen. Die gebildeten Toxine lösen ca. 4–14 Tage nach Infektion das Krankheitsbild aus. Neben lokalen Symptomen einer schweren Wundinfektion besteht das klinische Bild typischerweise aus den durch das Toxin verursachten Hirnnervenlähmungen, Doppelbildern, Ptosis, Schluck- und Atemstörungen bis hin zur länger dauernden Beatmungspflichtigkeit. Die Behandlung des Wundbotulismus besteht neben der Gabe von Botulinum-Antitoxin (nur in den ersten 24 Stunden wirksam) und einer symptomatischen Therapie in einer chirurgischen Wundversorgung (breite Eröffnung der Wunde) sowie – im Gegensatz zum lebensmittelbedingten Botulismus – in einer Antibiotikagabe (Penizillin G).

Da es zu weiteren Fällen in Deutschland kommen kann, bitten wir um erhöhte Aufmerksamkeit und Weiterleitung dieser Information an Ihre Kooperationspartner/innen in Drogenhilfeeinrichtungen, Substitutionspraxen und andere Einrichtungen, die mit Drogengebraucher/innen in Kontakt sind. Wir werden auch über die Landesstellen die Ärzteschaft sensibilisieren.

Klinische Verdachtsfälle sind unverzüglich an das lokale Gesundheitsamt zu melden.


Für Rückfragen zur Diagnostik und zum Probentransport steht Ihnen das Konsiliarlabor für Clostridium botulinum zur Verfügung:
Ansprechpartnerin Fr. Dr. Dorner: DornerB@rki.de, Tel.: 030 18754 2500 sowie:
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Diagnostik_Speziallabore/Toxine/Probenbegeitschein_Botulin umtoxine.html

Weitere Informationen zu früheren Fällen von Wundbotulismus sind hier zu finden: http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2015/14/Art_03.html
Zum Bericht zu einer Häufung von Wundbotulismus bei injizierenden Drogenkonsumenten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2005/Ausgabenlinks/48_05.html
Joint publication: Wound botulism in people who inject heroin in Norway and the United Kingdom http://www.emcdda.europa.eu//alias.cfm//publications/joint-publications/wound-botulism-norway- uk-2015

Für Fragen zum epidemiologischen Geschehen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Viviane Bremer MPH Dr. med. Ulrich Marcus
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 34 HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragene Infektionen Robert Koch- Institut Seestr. 10
13353 Berlin
Tel.: 030 18 754 3800
Fax: 030 18 754 3533


Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit."

Das Schreiben als PDF finden Sie hier.