Thüringen und Berlin möchten Schwarzfahren entkriminalisieren

Thüringen und Berlin möchten das Schwarzfahren entkriminalisieren und haben deshalb einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, der das Ohne-Ticket-Fahren zur Ordnungswidrigkeit herabstuft. Die Initiative wurde am 20. September 2019 im Plenum vorgestellt und anschließend in die Ausschüsse überwiesen.

Strafverfolgung verschärft soziale Ungleichheiten

Gegen die strafrechtliche Verfolgung des Fahrens ohne Fahrschein sprechen aus Sicht der beiden Länder mehrere Gründe. So verschärfe die Strafverfolgung soziale Probleme und Ungleichheiten, da sie sich in vielen Fällen gegen sozial und gesellschaftlich benachteiligte Personen richte: Diese könnten sich einen Fahrschein einfach oft nicht leisten. Dieses soziale Ungleichgewicht setze sich häufig bei der Strafvollstreckung fort: nämlich dann, wenn Schwarzfahrer die Geldstrafen nicht bezahlen können und deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen.

Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen

Außerdem verweisen Thüringen und Berlin auf die erheblichen Ressourcen, die die Strafverfolgung des Schwarzfahrens bindet. So weise die Polizeiliche Kriminalstatistik allein für das Jahr 2018 rund 210.000 Fälle der „Beförderungserschleichung“ aus. Die damit verbundenen Kosten und personellen Ressourcen stünden in keinem Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen.

Nicht im Einklang mit strafrechtlichen Prinzipien

Darüber hinaus ließe sich die strafrechtliche Sanktionierung des Schwarzfahrens nicht mit dem „ultima ratio“-Prinzip vereinen, wonach das Strafrecht als schärfstes Mittel erst zuletzt zur Anwendung kommen darf. Ein niedrigschwelligeres Steuerungsinstrument sehen die Länder beispielsweise in Zugangskontrollen - auf die die Verkehrsbetriebe jedoch bisher weitgehend verzichteten.

Wie Verkehrsverstöße zu behandeln

Fahren ohne Fahrschein sei ein Massendelikt mit einem im Einzelfall sehr geringen Schaden. Da der Staat auch Verkehrsverstöße weitegehend nur über Ordnungswidrigkeiten ahndet, dürfe beim Fahren ohne Fahrschein nichts anderes gelten, betonen Thüringen und Berlin.

Ausschussberatungen in der nächsten Woche

Die Ausschüsse beraten in der kommenden Woche über den Gesetzesantrag. Sobald sie ihre Empfehlungen für das Plenum erarbeitet haben, kommt der Antrag zur Abstimmung auf die Plenartagesordnung.

Quelle: https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/19/980/78.html


Die BAG-S hatte sich seinerzeit bereits im Rahmen der Justizministerkonferenz an die Justizministerinnen und Justizminister gewandt und in einer Stellungnahme die Überprüfung der Ersatzfreiheitsstrafe gefordert.

Die Ausführungen zeigen deutlich, wie wichtig es ist, Sanktionen wie die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Alternativen stets kritisch zu hinterfragen.Sie sollen als Hinweise verstanden werden, an welchen Stellen sie in ihrer Ausgestaltung eine strafverschärfende Wirkung von Armut erkennen lassen und geben Anregungen, wie dieser begegnet werden könnte.  

BAG-S Stellungnahme