Informationsdienst Straffälligenhilfe: Aktuelle Ausgabe

Die zweite Ausgabe unserer Zeitschrift ist erschienen und widmet sich dem Thema "Wohnen".

Die neue Ausgabe enthält Artikel über die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Wohnungslosigkeit nach der Haft, Wohnungsnotfallhilfe, frauenspezifische Besonderheiten in der Beratung, gute Praxis aus dem Jobcenter Dortmund und vieles mehr. In eigener Sache ist dort die gemeinsame Stellungnahme "Resozialisierung nicht gefährden – Inhaftierung und Schulden während Corona" der BAG-SB und BAG-S zu lesen.

Lesen Sie hier schon mal das Editorial:

Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Für die Menschen, die ohne Wohnung aus der Haft entlassen werden, wird es immer schwieriger, dieses Bedürfnis zu befriedigen. In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte haben es Menschen, die aus der Haft entlassen wurden, besonders schwer, eine Wohnung zu finden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. schätzt, dass im Jahr 2018 zwölf Millionen Ein- bis Zwei-Zimmerwohnungen auf dem Markt fehlten. Zwar besteht einerseits ein ausgebautes Hilfesystem mit einem Anspruch auf sofortige, menschenwürdige Unterbringung; andererseits bleiben in der Praxis vielfältige Probleme bei Prävention und Versorgung von Wohnungsnotfällen bestehen. Wenig überraschend war daher, dass in dem Lebenslagenbericht der BAG-S 2018 (https://tinyurl.com/bagsLebenslagenbericht) Probleme im Zusammenhang mit Wohnen und Wohnungsverlust insgesamt den höchsten Stellenwert hatten. 22,1 Prozent der befragten Personen haben „Wohnung“ als das häufigste „vorrangige Problem“ genannt. Caritas und Diakonie hatten sich im Oktober 2019 mit einer Stellungnahme zur Sicherung der Wohnkosten zur Lösung in einem Teilbereich des Problems eingesetzt. (https://tinyurl.com/SicherungWohnkostenHaft)

Wohnungslosigkeit bedeutet für Haftentlassene deutlich verringerte Chancen auf Resozialisierung. Auch die vorzeitige Entlassung auf Bewährung ist ohne festen Wohnsitz nicht möglich. Ohne Wohnung droht den Betroffenen ein weiterer gravierender sozialer Abstieg, der mit Ausgrenzung und Diskriminierung einhergeht. Resozialisierung setzt einerseits voraus, dass der Straffällige auf die Rückkehr in die freie Gesellschaft vorbereitet wird; diese muss ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1973 in seinem Lebach-Urteil festgestellt, dass diese Forderung dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft entspricht, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muss der verurteilte Straftäter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. Verb. m. Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; dazu gehören auch die Gefangenen und Entlassenen. Nicht zuletzt dient die Resozialisierung dem Schutz der Gemeinschaft selbst: Diese hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, dass der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut seine Mitbürger oder die Gemeinschaft schädigt.

Die gegenwärtige Corona-Pandemie zeigt die Probleme wie unter einem Brennglas. Um die Gesundheit von Gefangenen und Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten zu schützen und das Infektionsrisiko mit Covid-19 zu minimieren, wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen. Unter anderem wurden die Besuchsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Es wurden aber auch in einigen Bundesländern Haftunterbrechungen von mehreren Monaten gewährt. Diese an sich begrüßenswerte Maßnahme führte zur unerwünschten Folge, dass zahlreiche Betroffene ohne Wohnung vor verschlossenen Sozialämtern und Jobcentern gestanden haben und zunächst nicht wussten, wie und wovon sie leben, geschweige denn wo sie schlafen können. Der an alle gerichtete Aufruf „Stay at home“ wäre gerade von dieser Gruppe sehr gerne erfüllt worden, wenn sie denn ein Heim gehabt hätten. So hat sich an dieser Krise gezeigt, wie sehr die Gruppe der Straffälligen in den Blick genommen werden muss, damit sie nicht aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Alexandra Weingart

Mitglied des Vorstands der BAG-S

 

Hier können Sie das Inhaltsverzeichnis der neuen Ausgabe abrufen.