Informationsdienst Straffälligenhilfe: Aktuelle Ausgabe

Die erste Ausgabe unserer Zeitschrift für das Jahr 2020 ist erschienen und widmet sich dem Thema "Drogen und Gefängnis".

Die neue Ausgabe enthält Artikel über den Suchtmittelkonsum und die Substitution in Haft, Praxisberichte aus der Suchtberatung für Inhaftierte und die dortigen Probleme, die Prohibition von Drogen und die daraus resultierenden Konsequenzen, Leitlinien für konkrete Probleme des Vollzugs aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie und vieles mehr. In eigener Sache ist dort die Pressemitteilung der BAG-S zum Thema Recht auf Alterssicherung für arbeitende Gefangene zu lesen.

 

Lesen Sie hier schon mal das Editorial:

Im Bundesdrogenbericht 2019 ist erstmals der Drogenkonsum im Gefängnis in den Fokus gerückt. Grundlage hierfür war die erste bundeseinheitliche Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im Justizvollzug 2016 mit dem Ziel, die Anzahl Inhaftierter mit Suchtproblematik bei Haftantritt besser erfassen und entsprechende Maßnahmen der Gesundheitsversorgung ableiten zu können. Die aus einer gemeinsamen Stichtagserhebung im März 2018 gewonnenen Daten aus zwölf Bundesländern wurden anschließend ausgewertet und belegen, dass 44 % der erfassten Inhaftierten eine stoffgebundene Suchtproblematik aufweisen, bei 27 % ist von einer Abhängigkeitserkrankung im Sinne des ICD-10 und bei 17 % vom schädlichen Gebrauch psychotroper Substanzen zu sprechen. Haftarten und geschlechterspezifische Konsummuster unterscheiden sich zwar, aber Drogenkonsum und Sucht kommen in Gefängnissen insgesamt wesentlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung vor. Die konsumierten Substanzen reichen dabei von Cannabis über Speed und Methamphetamin bis hin zu Kokain und Heroin, oft auch in Form des multiplen Konsums. Für den bundesweiten Justizvollzug bedeutet das große Herausforderungen hinsichtlich der medizinischen Behandlung der Inhaftierten, einer umfangreichen Beratung und Betreuung sowie Überleitung in das Hilfesystem nach Haftentlassung. Da der Vollzug Ländersache ist, ist es schwierig, einen einheitlichen Umgang mit der Problematik zu finden und entsprechende Angebote flächendeckend zu verankern. Alle Bundesländer haben jedoch den gesetzlichen Sicherheitsauftrag, Inhaftierte während der Haft bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen und die Resozialisierung vorzubereiten. Auch sind sie dem Äquivalenzprinzip verpflichtet und müssen Inhaftierten die gleiche gesundheitliche Versorgung gewährleisten wie sie gesetzliche Krankenkassen außerhalb anbieten. Dazu gehört auch eine Behandlung der Suchterkrankung, insbesondere notwendiger Substitutionsbehandlungen. Laut Richtlinie der Bundesärztekammer wird Ärzt*innen empfohlen, mit einer Substitutionstherapie bei opiatabhängigen Menschen den Suchtdruck zu mindern, und sie vor dem Teilen von Spritzen und der damit verbundenen Gefahr von Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Hepatitis C, zu schützen. Bei einer Opiatabhängigkeit sind außerdem Beschaffungskriminalität und der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz häufig Gründe für die Inhaftierung. Dementsprechend befinden sich viele Suchterkrankte in Haft, die laut der Erhebungsstudie eine fest verankerte Substitutionstherapie benötigen.

Neben der gesundheitlichen Versorgungsituation können aber auch der Gefängnisalltag und die Verfügbarkeit von Drogen den Konsum Inhaftierter aufrechterhalten. Auch das kann den Resozialisierungsprozess erschweren und Inhaftierte nach ihrer Entlassung zu den gleichen Überlebensstrategien greifen lassen, die sie in Haft gebracht haben: Neben der Herausforderung der Wohnungs- und Jobsuche, mit dem Ballast eventueller Schulden und dem Stigma der Inhaftierung kann die Beschaffung und der Konsum von Drogen ein verlockendes Bewältigungsmittel bedeuten. Die Negativspirale würde sich fortsetzen und schlimmstenfalls erneut in Delinquenz und Strafvollzug enden. Um dies zu vermeiden und ein auf die Problemlagen der Inhaftierten ausgerichtetes Übergangsmanagement vorzubereiten, kommt neben der medizinischen Versorgung auch der Drogenberatung im Vollzug sowie weiteren Kooperationen der Hilfesysteme in und über die Gefängnismauern hinweg eine wichtige Aufgabe zu.

Die bundeseinheitlichen Erhebungen zur stoffgebundenen Suchtmittelproblematik sollen fortlaufend durchgeführt werden und so kontinuierlich zu Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung Inhaftierter beitragen.

Mehr zu den Themenschwerpunkten Suchtmittelkonsum und Substitution in Haft sowie den juristischen und medizinischen Folgen einer restriktiven Drogenpolitik erfahren Sie in der neuen Ausgabe des Infodienstes.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Ihre Kerstin Guderley

(Mitglied des Vorstands der BAG-S)