Im Jahr 2023 hat die DGPPN eine Task-Force „Gefängnispsychiatrie“ gegründet, da keine Erkenntnisse über die psychiatrische Versorgungslage in deutschen JVAen vorlag. Prof. Dr. med. Jürgen L. Müller stellte jetzt ein Jahr später die Ergebnisse auf dem Jahreskongress der DGPPN am 28.11. vor. Im Rahmen der Befragung wurden 177 Justizvollzugsanstalten angeschrieben. 137 Antworten wurden zurückgesandt und ausgewertet. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse, in der auch auf die Qualität der Antworten näher eingegangen wird, ist geplant. Einige Ergebnisse wurden vorgestellt:
Anzahl und Besetzung der Fachkraftstellen:
In 136 Einrichtungen sind 46,15 Stellen (Vollzeitäquivalente) für psychiatrisches Fachkräfte vorgesehen, von denen zum Zeitpunkt der Befragung ein Drittel unbesetzt war. Die vorhandenen Stellen für psychologisches Fachpersonal waren nahezu vollständig besetzt.
Psychiatrische Versorgung:
In 58 Haftanstalten wurden keine Schwierigkeiten bei der psychiatrischen Versorgung gesehen. In 52 wurden Probleme gesehen, die vor allem in Personalmangel und fehlenden Aufnahme- und Behandlungskapazitäten gesehen wurden.
Die vorhandenen Kapazitäten für eine vollstationäre psychiatrische Behandlung werden überwiegend als unzureichend eingeschätzt. Während in 121 Anstalten für 1.557 Insassen eine Indikation für eine vollstationäre Behandlung vorlag, wurden nur 47 % tatsächlich verlegt.
Anzahl der Behandlungsfälle:
In den letzten vier Wochen vor der Befragung befanden sich in 133 Anstalten 4.411 Gefangene in fachärztlicher Behandlung.
Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen
In den letzten 12 Monaten gab es in 128 Anstalten insgesamt 5.812 Unterbringungen. Davon dauerte der überwiegende Teil (73 %) weniger als 3 Tage. Nach Einschätzung einiger Einrichtungen wies ein Großteil der Untergebrachten eine psychische Störung auf.
(Vergleich hierzu auch die bundesweite Erhebung von Sabrina Winter, Timo Stuckenberg und Stefan Wehrmeyer auf FragDenStaat)
Zwangsmedikation
In den letzten 12 Monaten wurde in 20 Anstalten in 74 Fällen eine Zwangsmedikation durchgeführt. Auf die Frage, in welchem Setting diese Zwangsmaßnahme durchgeführt wurde, antworteten nur 11 Anstalten, dass diese in einer psychiatrischen Abteilung oder Station eines Vollzugskrankenhauses stattfand. In 10 Antworten wurde auch der besonders gesicherte Haftraum oder Beobachtungsraum angegeben.
Forderungen
Die Arbeitsgruppe der DGPPN fordert abschließend die Umsetzung psychiatrischer Standards und Leitlinien. Dazu gehört zunächst die Sicherstellung der psychiatrischen Versorgung in allen Justizvollzugsanstalten, aber auch die Bedarfsermittlung, die Schulung des Personals und die Einhaltung psychiatrischer Standards bei Zwangsmaßnahmen.
Die Pressemitteileiung der DGPPN finden Sie an dieser Stelle.