BAG-S kritisiert Ausschluss von Strafgefangenen im Teilhabechancengesetz

Der Bundestag hat am 06.11.2018 das Gesetz zur Schaffung von Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialem Arbeitsmarkt verabschiedet, das am 01.01.2019 in Kraft trat. Zwei neue Fördermöglichkeiten unterstützen Arbeitgeber durch Lohnkostenzuschüsse, wenn sie Personen der jeweiligen Zielgruppe einstellen. Zudem ist eine ganzheitlich beschäftigungsbegleitende Betreuung ("Coaching") verpflichtend vorgesehen, von der auch die Familienmitglieder in Haushalten von Langzeitarbeitslosen profitieren können.

Die Verbände und der Bundesrat hatten im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, dass die Zielgruppe der Strafgefangenen in dem Teilhabechancengesetz unzureichend Berücksichtigung findet.

Das neue Instrument § 16i SGB II setzt zu spät an, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte mindestens sechs innerhalb der letzten sieben Jahre SGB II Leistungen erhalten haben müssen.
Die Förderung sollte bereits für Personen offen stehen, die noch nicht so lange SGB II Leistungen beziehen. Zumindest ist aber sicherzustellen, dass Strafgefangene, die in der Regel eine sehr schlechte Eingliederungsprognose haben, eine Chance auf Förderung bekommen.

Der Bundesrat hatte daraufhin einen Änderungsvorschlag zur Veränderung der Zielgruppendefinition des § 16i Absatz 3 SGB II in den Gesetzentwurf vorgeschlagen, der sicherstellt, dass entlassene Strafgefangene nicht faktisch von der Förderung ausgeschlossen sind.

Die Bundesregierung stimmte dem Änderungsvorschlag nicht zu. Sie begründet dies wie folgt:

"Ziel des neuen Instrumentes ist es, besonders arbeitsmarktfernen Personen, die auf absehbare Zeit keine realisitische Chance auf eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt haben, soziale Teilhabe zu ermöglichen. Im Hinblick darauf, dass viele Strafgefangene während des Strafvollzugs beschäftigt oder in Ausbildung sind, kann eine derartige besondere Arbeitsmarktferne für entlassene Strafgefangene nicht generell angenommen werden." (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/047/1904725.pdf)

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe kann dieser Einschätzung der Bundesregierung nicht zustimmen und weist darauf hin, dass ein erheblicher Anteil der Inhaftierten nach der Haft langjährig auf den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II angewiesen ist. Langzeitarbeitslosigkeit im Sinne des § 18 SGB III ist hier eher die Regel als die Ausnahme.

Bei einer zukünftigen Reformierung des Gesetzes muss dementsprechend darauf geachtet werden, die Zugangsvoraussetzungen dahingehend zu verändern, dass die bis zum Haftantritt und die nach Haftentlassung zurückgelegten SGB II Bezugszeiten zusammengerechnet werden können, um auch entlassenen Strafgefangenen, die länger als ein Jahr in Haft waren, die Förderung zu ermöglichen.